Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.500,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.10.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte die Zahlung von Hinterbliebenengeld geltend.

Die Klägerin ist eine von drei Töchtern der bei einem Verkehrsunfall in Nittel verstorbenen F… T. F… (im Folgenden: Verstorbene).

Die Verstorbene ging am 28.09.2018 gegen 10.20 Uhr als Fußgängerin den …weg in … entlang. Das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Transportfahrzeug der Marke Iveco (7,5 Tonnen) mit dem amtlichen Kennzeichen … befuhr ebenfalls den …weg. Es wendete und fuhr rückwärts, ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen einzuleiten. Bauartbedingt war es dem Fahrer des Fahrzeugs nicht möglich nach hinten zu sehen. Bei dem Wendemanöver wurde die Verstorbene von dem LKW erfasst und erlitt ein offenes Schädel-Hirn-Trauma und eine Rippenserienfraktur. Sie erlag ihren Verletzungen um 11.45 Uhr in einem Krankenhaus.

Mit Schreiben vom 18.06.2019 wurde die Beklagte zur Zahlung von Hinterbliebenengeld angemahnt. Nachdem die Beklagte daraufhin nur die Beerdigungskosten regulierte, wurde ihr erfolglos eine weitere Frist zur Zahlung von Hinterbliebenengeld gesetzt.

Die Klägerin trägt vor, dass sie einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld gemäß § 844 Abs. 3 BGB habe. Sie sei Hinterbliebene im Sinne dieser Vorschrift. Sie habe ein sehr enges und regelmäßiges Näheverhältnis zu ihrer verstorbenen Mutter gehabt.

Sie sei in einem intakten Familienelternhaus aufgewachsen und habe auch nach ihrer Heirat in regelmäßigem, sehr engem persönlichen Austausch mit der Verstorbenen gestanden. Sie habe regelmäßig in dichten Zeitabständen mit ihr telefoniert. Aufgrund der örtlichen Nähe haben zudem regelmäßig Besuche stattgefunden. Am Unfalltag selbst habe abends anlässlich des Geburtstags des Ehemanns der Klägerin eine gemeinsame Familienfeier stattfinden sollen.

Bei einem Eltern-Kind – Verhältnis sei es charakteristisch, dass dieses unauflösbar sei. Nur in Ausnahmeverhältnissen wie bei einer Zerrüttung dieses Verhältnisses könne angenommen werden, dass ein Näheverhältnis nicht mehr bestehe.

Nach der Gesetzesbegründung sei das Hinterbliebenengeld bei nahen Angehörigen regelmäßig in Höhe von 10.000 EUR zu bemessen. Zu berücksichtigen sei bei der Höhe auch das Regulierungsverhalten der hinter dem Schädiger stehenden Haftpflichtversicherung.

Sie habe einen Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 887,03 EUR.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Hinterbliebenengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit für das Versterben der Mutter, Frau F… T… F…, verstorben am 28.09.2018, zu zahlen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 887,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass Voraussetzung für die Zahlung von Hinterbliebenengeld das Erleiden eines seelischen Leides erforderlich sei, das über die nachvollziehbare allgemeine Trauer eines Verstorbenen hinausgehe.

Der in der Gesetzesbegründung genannte Betrag in Höhe von 10.000 EUR habe sich an der Rechtsprechung zu Schockschäden orientiert. Da das Hinterbliebenengeld gegenüber Schmerzensgeld wegen Schockschäden subsidiär sei und bei letzterem, anders als beim Hinterbliebenengeld, eine außergewöhnliche gesundheitliche Beeinträchtigung verlangt werde, müsse das Hinterbliebenengeld der Höhe nach hinter dem Schmerzensgeld wegen Schockschäden zurückbleiben.

Bei der Bemessung der Höhe des Hinterbliebenengeldes sei jedenfalls das Alter der Verstorbenen und der Umstand, dass die Klägerin den Unfall nicht selbst miterlebt hat, ebenso wie die konkrete Ausgestaltung des Näheverhältnisses zu berücksichtigen.

Die Klage ist der Beklagten am 18.10.2019 zugestellt worden. Mit Zustimmung der Parteien ist mit Beschluss vom 28.03.2020 in das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO übergegangen worden.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld in Höhe von 7.500 EUR aus §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 3 BGB.

Der Ersatzpflichtige hat gemäß § 844 Abs. 3 BGB dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der ...

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