Verfahrensgang

AG Reutlingen (Aktenzeichen 9 C 1614/12)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 16.04.2015; Aktenzeichen 1 StR 490/14)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsmittels tragen die Beklagten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 5.000,00 EUR

 

Tatbestand

(abgekürzt nach §§313 Abs. 1 S. 1 ZPO, 62 Abs. 2 WEG)

I.

Die Parteien bilden die WEG … in …. Der Kläger erhob Anfechtungsklage hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 1 und 2 der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.10.2012. Die WEG hatte unter TOP 1 mehrheitlich (27 JA-Stimmen, 1-Gegenstimme) beschlossen, dass sie die Entscheidung darüber, ob die Sichtschutzelemente aus Weidengeflecht im Bereich des Sondernutzungsrechts der Wohnung Nr. 2 verbleiben können, an sich zieht. Unter TOP 2 beschloss sie mit 27 Ja-Stimmen und einer Nein-Stimme, dass diese Sichtschutzelemente verbleiben können.

Zuvor hatte die WEG in einer Wohnungseigentümerversammlung im Jahr 2011 bereits mehrheitlich beschlossen, die Errichtung des Zauns mit Sichtschutzelementen zu genehmigen. Hiergegen war der Kläger im Wege einer zulässigen Beschlussanfechtungsklage vorgegangen. Zum Zeitpunkt der Wohnungseigentümerversammlung war über diese Beschlussanfechtungsklage noch nicht entschieden.

Der Kläger wandte sich mit seiner Anfechtungsklage gegen diese Beschlüsse. Das Amtsgericht erklärte beide Beschlüsse für ungültig.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist statthaft und in zulässiger Weise, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft zu Top 1 und 2 in der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.10.2012 für unwirksam erklärt.

Bei der Errichtung von Sichtschutzelementen an den Außengrenzen des Gartens des Sondernutzungsrechts der Wohnung Nr. 2 handelt es sich um eine bauliche Veränderung im Sinne des §22 Abs. 1 WEG Hierüber kann nur einstimmig beschlossen werden.

Die von der WEG jetzt gefassten Beschlüsse sollen – wenn ihr Wortlaut das auch so nicht ausdrücklich beinhaltet – eine derartige Genehmigung aussprechen. Dies ist – wie bereits vom Amtsgericht im Urteil vom 28.12.2012 (9 C 1104/12 WEG, vgl. auch LG Stuttgart, Urt. v. 20.02.2014, 2 S 3/13) ausgeführt – nur einstimmig möglich. Dies ist hier nicht erfolgt, also waren die Beschlüsse, die rechtzeitig mittels zulässiger und rechtzeitig begründeter Anfechtungsklage angefochten worden waren, aufzuheben.

Im Einzelnen ist folgendes auszuführen:

1.

Ein Beschluss, mit dem die Wohnungseigentümergemeinschaft, „die Entscheidung über die Beseitigung einer solchen Anlage an sich zieht”, hat rechtlich keine Bedeutung. Die Entscheidungsbefugnis, oder in den Worten des WEG die Beschlusskompetenz hierüber, also die Entscheidung darüber, ob eine bauliche Veränderung genehmigt oder eben nicht genehmigt wird, steht der Wohnungseigentümergemeinschaft zu, dies folgt schon denklogisch aus der gesetzlichen Regelung des §22 WEG.

Dennoch war es im vorliegenden Zusammenhang richtig und notwendig, den Beschluss der WEG zu TOP 1 klarstellend für ungültig zu erklären. Mit der Beschlussfassung verfolgte die WEG nämlich das Ziel, dem Kläger seine Beseitigungsansprüche, die dieser bereits gerichtlich geltend gemacht hatte, abzusprechen (vgl. etwa BGH Urteil v. 15.01.2010, V ZR 72/09. zit. n. juris), allerdings ohne sie letztlich selbst als Verband geltend zu machen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft wollte über diesen „Trick” letztlich eine Bauliche Maßnahme, die dem §22 Abs. 1 WEG unterliegt, unter Umgehung des in §22 Abs. 1 WEG vorgesehenen Quorums genehmigen. Eine derartige Vorgehensweise verstößt jedenfalls gegen Treu und Glauben, denn Grundsatz der natürlich auch im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu respektieren ist.

2.

Eine Entscheidung, des Inhalts, dass der Zaun mit Sichtschutzelementen nicht beseitigt werden soll (vgl. Formulierung des Beschlusses zu TOP 2), stellt eine Genehmigung der baulichen Anlage dar.

Gem. §22 Abs. 1 WEG kann diese Entscheidung jedoch nur einstimmig getroffen werden, weil die zu genehmigende bauliche Maßnahme, wie im amtsgerichtlichen Urteil vom 28.12.2012 (9 C 1104/12 WEG) bereits richtig ausgeführt, eine erhebliche optische Veränderung darstellt, die alle Wohnungseigentümer in ihren Rechten beeinträchtigt. Wenn und soweit eine derartige Beschlussfassung nicht einstimmig erfolgt, ist dieser Beschluss nur dann und nur solange wirksam, wie er nicht angefochten und von einem Gericht für ungültig erklärt worden ist.

3.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. §97 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

Unterschriften

Riedle-Knapp Vors. Richterin am Landgericht, Goll Richterin am Landgerich...

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