Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung einer Ehewohnung: Erforderlichkeit eines Titels gegen den alleinbesitzenden Ehegatten, der nicht Mieter ist

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Räumung des Ehegatten, der nicht Mietvertragspartei ist und die Wohnung alleine bewohnt, ist - auch - ein Titel gegen diesen alleinbesitzenden Ehegatten erforderlich.

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubiger gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 23.09.2002 - 6 M 13497/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Gläubiger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

4. Der Erinnerungsführerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt.

Beschwerdewert: bis 3.000,00 €.

 

Gründe

I.

Die Gläubigerin vermietete an den Schuldner eine 2-Zimmer-Wohnung in der E-Straße in Stuttgart. Die Erinnerungsführerin, die nicht Mietvertragspartei wurde, ist seit 13.09.1999 die Ehefrau des Schuldners und bezog die streitgegenständliche Wohnung mit Kenntnis der Gläubiger zusammen mit dem Schuldner. Seit der Trennung vom Schuldner im Januar 2002 bewohnte die Erinnerungsführerin die streitgegenständliche Wohnung alleine. Mit Versäumnisurteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 25.06.2002 (5 C 589/02) wurde der Schuldner zur Räumung der streitgegenständlichen Wohnung wegen Zahlungsverzuges verurteilt. Die Gläubigerin erteilte dem zuständigen Gerichtsvollzieher daraufhin Räumungsauftrag (GR II 1691/02). Der Räumungstermin wurde auf 02.10.2002 8.00 Uhr festgesetzt. Der Schuldner wurde ausgewiesen und verließ die Bundesrepublik Deutschland am 10.09.2002.

Mit ihrer Erinnerung vom 13.09.2002 wendet sich die Erinnerungsführerin gegen den angesetzten Zwangsräumungstermin. Die Gläubiger traten der Erinnerung entgegen und trugen vor, die Erinnerungsführerin sei jedenfalls mit Anwaltsschreiben vom 28.05.2002 zur Räumung aufgefordert worden und habe jeweils Kenntnis von der Kündigung des Standes des Räumungsverfahrens gehabt. Mit Beschluss vom 23.09.2002 hat das Amtsgericht Stuttgart auf die Erinnerung hin die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegenüber der Erinnerungsführerin für unzulässig erklärt und den Gerichtsvollzieher angewiesen, den Räumungstermin vom 02.10.2002 aufzuheben. Als Begründung führte es aus, dass es bereits an der allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzung eines Titels gegenüber der Erinnerungsführerin fehle.

Die Gläubiger fochten diesen Beschluss mit der sofortigen Beschwerde vom 25.09.2002 mit der Begründung an, wegen des Eheverhältnisses zwischen dem Schuldner und der Erinnerungsführerin sei ein separater Titel für die Räumung nicht erforderlich. Parallel leiteten die Gläubiger ein separates Räumungsverfahren gegen die Erinnerungsführerin vor dem Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt unter dem Aktenzeichen 12 C 2704/02 ein.

II.

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 23.09.2002 ist zulässig. Insbesondere steht den Gläubigern ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis trotz der zwischenzeitlich erhobenen Räumungsklage gegen die Erinnerungsführerin zur Seite. Denn für den Fall, dass die sofortige Beschwerde auch begründet ist, steht ihnen ein einfacherer Weg als die Durchführung des gerichtlichen Räumungsverfahrens gegen die Erinnerungsführerin zur Erreichung ihres Ziels - der Räumung der Wohnung - zur Verfügung.

2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Aus zutreffenden Gründen hat das Amtsgericht auf die Erinnerung hin die Zwangsräumung gemäß § 766 Abs. 1 ZPO für unzulässig erklärt, weil gegen die Erinnerungsführerin kein Räumungstitel vorliegt und damit eine Vollstreckungsvoraussetzung fehlt.

Grundsätzlich üben Eheleute bei ungestörter Ehe die Herrschaftsgewalt über die Räume der Ehewohnung gemeinsam aus und sind sonach Mitbesitzer. Ob in diesem Fall die Räumung mit einem Titel, der nur auf den Ehegatten lautet, der den Mietvertrag abgeschlossen hat, ausreicht, ist streitig (vgl. Nachweise bei Stöber in Zöller, Zivilprozessordnung, § 885 Rz. 6 m.w.N.). Im vorliegenden Fall liegt jedoch die Besonderheit vor, dass die Erinnerungsführerin die Ehewohnung alleine bewohnt, nachdem der Ehemann/Schuldner diese bereits im Januar 2002 verlassen hatte. Ist die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben und ein Ehegatte alleiniger Gewahrsamsinhaber geworden, dann kann aus einem Räumungstitel gegen den Mieter/Ehegatten nicht - auch - gegen den in der Ehewohnung zurückgebliebenen Ehegatten vollstreckt werden (LG Düsseldorf DGVZ 95, 126; AG Frankfurt DGVZ 98, 13; Stöber in Zöller, § 885, Rdn. 6 m.w.N.; a.A. LG Frankfurt DGVZ 91, 11; AG Dortmund DGVZ 96, 77).

Die Kammer schließt sich der Meinung an, wonach in diesem Sonderfall ein separater Titel gegen den die Ehewohnung allein bewohnenden Ehegatten zur Räumung erforderlich ist, weil mit dem vor der Vollstreckung erfolgenden Auszug des Ehegatten, der alleiniger Mieter ist, der im Rahmen des ehelichen Zusammenlebens aus dem Mietrecht des Ehegatten abgeleitete Mi...

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