Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsversteigerung – Zuschlagsbeschwerde des Meistbietenden gegen Versagung des Zuschlags aufgrund Antrages nach § 765a ZPO. treuwidrige Berufung auf Verletzung des grundrechtlich verbürgten Eigentums wegen Verschleuderung des Grundbesitzes

 

Leitsatz (amtlich)

  • Bei der Beschwerde des Meistbietenden gegen die Versagung des Zuschlags aufgrund eines Antrags des Schuldners nach § 765a ZPO kann sich der Meistbietende wegen § 100 Abs. 2 ZVG nicht darauf stützen, dass die Abwägung der Interessen von Gläubiger und Schuldner fehlerhaft erfolgt sei. Aufgrund einer Zuschlagsbeschwerde des Meistbietenden kann der den Zuschlag versagende Beschluss nur in formeller Hinsicht überprüft werden.
  • Die Versagung des Zuschlags nach § 765a ZPO wegen einer Verschleuderung des Grundbesitzes bei einem zu geringen Meistgebot setzt neben dem Missverhältnis von Verkehrswert und Gebot voraus, dass in einem neuen Versteigerungstermin mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein wesentlich höheres Gebot zu erwarten ist.
  • Wirkt der Schuldner in dem Versteigerungstermin auf Bietinteressenten ein, um diese von einem Mitbieten oder einem höheren Gebot abzuhalten, verhält er sich treuwidrig, wenn er die Versagung wegen eines zu geringen Meistgebots beantragt.
  • Ein Antrag nach § 765a ZPO hat auch dann keinen Erfolg, wenn der Schuldner durch die Zwangsvollstreckung seine wirtschaftliche Existenz verliert, wenn nicht weitere besondere Umstände hinzutreten.
 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 27.03.2003)

 

Tenor

  • Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) wird zurückgewiesen.
  • Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) wird unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Saarbrücken vom 27.03.2003 Folgendes angeordnet:

    In dem Versteigerungstermin am 20.03.2003 ist der Beschwerdeführer zu 1), R….,, Meistbietender geblieben.

    Es wird ihm daher der im Beschlussrubrum bezeichnete Grundbesitz zu einem durch Zahlung zu berichtigenden Betrag in Höhe von 30.000,00 Euro (dreißigtausend Euro) unter folgenden Bedingungen zugeschlagen:

    Bestehenbleibende Rechte:

    Abt. II, lfd Nr. 1: Kabelrecht für Telekom

    Abt. II, lfd Nr. 2: Geh- und Fahrrecht für die Stadt S….

    Abt. II, lfd Nr. 3: Sanierungsvermerk

    Abt. III: keine

    Das Bargebot ist nebst 4 % Zinsen ab Zustellung dieses Beschlusses an den Beschwerdeführer zu 1) bis zum Verteilungstermin bar zu entrichten oder zu überweisen.

    Die Kosten des Zuschlagsbeschlusses fallen dem Beschwerdeführer zu 1) zur Last. Die durch die Anordnung des Verfahrens und die Beitritte entstandenen Kosten tragen die jeweiligen Antragsteller. Die übrigen Kosten des Verfahrens werden dem Versteigerungserlös vorweg entnommen.

    Im Übrigen gelten die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen.

  • Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Beschwerdeführer zu 1) zur Hälfte und jeder der Beschwerdegegner zu je einem Viertel.
  • Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 97.822,97 Euro festgesetzt.
 

Gründe

Nach Anordnung der Zwangsversteigerung des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 17.12.1998 den Verkehrswert der Grundstücke auf 250.000,-- DM festgesetzt (Bl. 62 ff. d.A.). Mit Beschluss vom 16.6.2000 wurde der Beitritt der Beschwerdeführerin zu 2) zur angeordneten Zwangsversteigerung zugelassen.

In einem ersten Zwangsversteigerungstermin am 10.12.1999 wurden keine Gebote abgegeben (Bl. 242 d.A.). In einem weiteren Termin am 19.12.2000 wurde das höchste Gebot von einem Vertreter der Beschwerdegegnerin zu 2) mit 120.000,00 DM abgegeben (Bl. 407, 410 d.A.). Der Zuschlag auf dieses Gebot wurde gemäß § 85a ZVG versagt (Bl. 412 d.A.). Ein Versteigerungstermin am 7.6.2001 endete mit einem Höchstgebot von 95.500,00 DM (Bl. 452 d.A.). Zu einem Zuschlag kam es nicht, weil der bestbetreibende Gläubiger die Einstellung des Verfahrens nach Schluss der Versteigerung bewilligt hatte (§ 30, § 33 ZVG; Bl. 465 d.A.). In einem weiteren Versteigerungstermin am 11.12.2001 wurde von der Beschwerdegegnerin zu 2) ein Höchstgebot von 100.000,00 DM abgegeben (Bl. 545 d.A.). Nach einer Bewilligung der Einstellung des Verfahrens wurde der Zuschlag auch auf dieses Gebot hin versagt (Bl. 555 d.A.).

Während des Zwangsversteigerungstermins am 20.03.2003 händigte der Schuldner vor Schluss der Versteigerung dem Meistbietenden (= Beschwerdeführer zu 1) ein mit “Wissenswertes” überschriebenes Schreiben aus, in dem der Schuldner verschiedene Umstände zum Zustand des Versteigerungsobjekts aufführt. In dem Schreiben heißt es u.a.:

“ … Der Erstbesitzer der darüber liegenden Wohnung hat … alle Zu- und Abflussleitungen auf die Decke verlegt. … Das Ergebnis: In der Wohnung J. hört man jede Bewegung (wenn sich jemand zum Tisch setzt oder ins Bett geht) und jede Art von Wasserlassen (Küche oder Toilette) so weit, dass festgestellt werden kann, ob ein großes oder kleines Geschäft erledigt wurde. … Die obere gleich große Wohnung ist vor ca. zwei Jahren versteigert worden. Sie stand mindeste...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge