Gründe

Aufgrund [eines in einem anderen] Verfahren erstatteten Gutachtens ... ist der Kammer bekannt ..., daß in den heutigen Sachverständigengutachten die für die Ersatzbeschaffung erforderlichen Kosten - neben Fahrtkosten insbesondere die Kosten für eine Werkstattgarantie oder eine gründliche technische Untersuchung durch einen Kfz-Sachverständigen - tatsächlich nicht enthalten sind ... . Entgegen gelegentlich geäußerter Meinung werden diese Kosten von den Kfz-Sachverständigen in ihren Wertgutachten nicht mitberücksichtigt. Deshalb ist nur noch die Rechtsfrage zu entscheiden, ob (und gegebenenfalls in welcher Höhe) die zusätzlichen Ersatzbeschaffungskosten vom Unfallschädiger zu erstatten sind. Die Kammer hält pauschale oder fiktive Ersatzbeschaffungskosten für erstattungsfähig.

Die Kammer vermag nicht der differenzierenden Meinung des 6. Zivilsenats des OLG Oldenburg (Grund- und Teilurteil vom 6.1.1984 im Anschluß an das Urteil vom 9.12.1983 - 6 U 97/83) zu folgen, wonach die Berechtigung eines Wiederbeschaffungszuschlags auf solche Schadensfälle beschränkt bleiben muß, in denen für das total beschädigte Fahrzeug noch eine Werks- oder Werkstattgarantie bestand oder in denen das Fahrzeug die Werkstatt gerade erst oder vor nicht allzu langer Zeit nach einer gründlichen Inspektion oder Generalüberholung verlassen hatte und dadurch eine erhebliche Gewähr dafür bestand, daß das Fahrzeug keine nennenswerten Schadensrisiken in sich barg. Die vom 6. Zivilsenat als Beleg angeführte Entscheidung BGH [ES Kfz-Schaden B-1/11] führt zwar aus, daß der Geschädigte die Kosten einer gründlichen technischen Überprüfung ›jedenfalls‹ in den Fällen verlangen könne, in denen es sich um relativ wenig gefahrene Fahrzeuge mit gutem Zustand handele. Aber der Umkehrschluß, daß ausschließlich in den genannten Fällen Ersatzbeschaffungskosten erstattungsfähig sind, läßt sich auch nicht begründen. ...

Die Ansicht des 6. Zivilsenats und der Vertreter der Gegenansicht (Giesen, NJW 1979, 2065, 2068 sowie Sanden, Sachschadensrecht, S. 83 ff.) scheint mehr oder weniger auf dem Argument zu beruhen, daß der Geschädigte durch die Erstattung von Ersatzbeschaffungskosten in Wahrheit bereichert würde, weil das Unfallfahrzeug auch vor dem Schadensereignis nicht durch einen Sachverständigen untersucht war und deshalb bei dem Unfallfahrzeug nennenswerte Schadensrisiken nicht ausgeschlossen werden konnten (vgl. Grunsky, NJW 1983, 2465). Indessen ergibt der Hinweis auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot gerade bei pauschalen oder fiktiven Kosten keine gesicherten Problemlösungen, weil einerseits fiktive oder pauschale Schadensposten gerade solche Teilschäden betreffen, die tatsächlich überhaupt nicht oder im Einzelfall nicht nachgewiesenermaßen in diesem Umfang entstanden sind, und weil andererseits der gesicherte Grundsatz der Dispositionsfreiheit fiktive Kosten nicht generell aus dem Kreis der ersatzfähigen Schäden ausschließt bzw. weil prozeßökonomische Gründe bei den massenhaften Verkehrsunfällen gewisse Pauschalierungen erfordern.

Entscheidend ist vielmehr lediglich die aus § 249 BGB abgeleitete allgemeine Frage, ob der Geschädigte durch den Schadensersatz denselben Vermögenswert wiedererlangt, den er ohne den Unfall hatte. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu berücksichtigen, daß nach den Ausführungen von Rädel (DAR 1984, 39) ein Sachverständiger das Unfallfahrzeug auf alle wertbestimmenden Faktoren untersucht. So kann der Sachverständige bei einem Fahrzeug, das selbst auf einen seriösen Gebrauchtwagenhändler oder sogar auf einen Werkstattmeister nach einer gründlichen Inspektion einen guten Eindruck macht, einen schweren, bisher verborgenen Mangel entdecken, wie dies die in der gerichtlichen Praxis nicht seltenen Fälle verdeckter Mängel an Gebrauchtfahrzeugen zeigen.

Für den anzustellenden Vermögensvergleich ist jedenfalls die Ausgangslage entscheidend, daß der Wert des Unfallfahrzeugs durch einen unabhängigen und fachlich besonders versierten Sachverständigen mit sämtlichen Vor- und Nachteilen des Sachverständigenverfahrens bereits festgestellt ist. Wird das bereits begutachtete Unfallfahrzeug dann weiterverkauft, so kann der neue Käufer - unter der Voraussetzung, daß der Unfallschaden fachgerecht repariert wird - relativ sicher sein, daß das bewertete Fahrzeug keine weiteren nennenswerten Schadensrisiken in sich birgt. Der durch den Unfall Geschädigte hat dagegen ohne sachverständige Untersuchung beim Kauf eines angeblich technisch gleichwertigen Ersatzfahrzeugs nicht die Gewähr, daß das Fahrzeug keine nennenswerten Schadensrisiken in sich birgt. Vielmehr muß sich der Geschädigte diese Gewähr erst durch eine Kfz-technische Untersuchung erkaufen, wobei er freilich nach dem Grundsatz der Dispositionsfreiheit bei entsprechender Risikobereitschaft auch auf die Untersuchung verzichten und den Erstattungsbetrag anderweitig verwenden kann.

Da auf dem speziellen Markt des Gebrauchtwagensektors die Tatsache einer gründlichen Untersuchung ...

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