Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 27.03.2013; Aktenzeichen 485 C 4492/12 WEG)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger zu 1) und 2) gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 27.03.2013, Az. 485 C 4492/12 WEG, wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger zu 1) und 2) haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht Zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs. 2 WEG n.F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 62 Rn. 6).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung der Kläger zu 1) und 2) hatte in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat sowohl die betreffend des Negativbeschlusses der Eigentümerversammlung vom 06.12.2011 zu TOP 1 erhobene Anfechtungsklage als auch den entsprechenden Verpflichtungsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Die Anfechtungsklage bezüglich des Beschlusses TOP 1 hat keinen Erfolg. Die Ablehnung des entsprechenden Beschlussantrags entsprach ordnungsgemäßer Verwaltung.

Der Anbau eines Lifts stellt eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG dar. Soweit sich die Kläger darauf berufen, dass der Anbau eines Lifts auch eine Modernisierungsmaßnahme im Sinne von § 22 Abs. 2 WEG darstellen kann, führt dies im Rahmen der Anfechtung des vorliegenden Negativbeschlusses nicht weiter, da die Kläger ihre Klage darauf stützen, einen Anspruch auf einen entsprechenden Beschluss zu haben. Es gibt jedoch keinen Individualanspruch auf die Vornahme einer Modernisierungsmaßnahme (vgl. Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 22 Rn. 23). Zudem würde der Anbau eines Außenlifts wohl zu einer erheblichen Umgestaltung der Eigentumsanlage führen, was dazu führt, dass § 22 Abs. 2 WEG nicht einschlägig ist.

Der angefochtene Negativbeschluss ist mithin am Maßstab des § 22 Abs. 1 WEG Zu messen. Daran, dass die bauliche Maßnahme – wie es § 22 Abs. 1 WEG voraussetzt – das gemeinschaftliche Eigentum betrifft, besteht kein Zweifel, weil die Außenwände des Gebäudes gem. § 5 Abs. 1 WEG zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum stehen. Einer baulichen Maßnahme müssen gem. § 22 Abs. 1 WEG alle Wohnungseigentümer zustimmen, denen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil i.S.v. § 14 Nr. 1 WEG erwächst. Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung. Sie muss konkret und objektiv sein; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGH, NZM 2013, 193).

Bei der Auslegung des Begriffs des Nachteils im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG ist die Bedeutung und Tragweite der jeweils betroffenen Grundrechte zu berücksichtigen.

Obwohl die Schwelle des § 14 Nr. 1 WEG im Hinblick auf die betroffenen Eigentumsrechte der übrigen Wohnungseigentümer im Allgemeinen als niedrig anzusehen ist (vgl. BayObLG Beschluss vom 20.11.2003, Az.: 2 Z BR 134/03; BVerfG, ZMR 2005, 634), kann im Einzelfall ein gewisses Maß an Beeinträchtigung auf Grund der kollidieren Eigentumsgrundrechte der Eigentümer, welche die bauliche Veränderung begehren, hinzunehmen sein (vgl. etwa BayObLG FG Prax 2003, 261; OLG München 32 Wx 51/05 – Beck RS 2005, 08473; AG Bremen, BeckRS 2012, 24876; LG Köln, Beschluss vom 31.07.2006 – 29 T 73/05) Der Konflikt zwischen der für die Kläger streitenden Eigentumsgarantie sowie dem Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen nach Art. 3 Abs. 3 Satz 3 GG und dem ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 I GG geschützten Recht der übrigen Wohnungseigentümer auf ungestörte Nutzung ihres eigenen Wohnungseigentums ist nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einzelfallbezogen zu lösen (vgl. etwa BVerfG NJW 2010, 220). Praktische Konkordanz erfordert, dass sich nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal durchsetzt, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (BVerfG NJW 2010, 220). Erreicht werden soll ein verhältnismäßiger Ausgleich der gegenläufigen Interessen mit dem Ziel ihrer Optimierung (vgl. BVerfGE 81, 278);

Hierauf kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht an. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht abstrakt die Frage, ob den Klägern unter bestimmten Bedingungen grundsätzlich ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Einbau eines Lifts zusteht, sondern, ob die Ablehnung des konkret gestellten Beschlussantrags ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach oder nicht.

Den in der Eigentümerversammlung vom 06.12.2011 gestellten Beschlussantrag haben die Eigentümer jedoch zu Recht abgelehnt. Ein entsprechender Eigentümerbeschluss wäre nichtig.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

a) Ein entsprechend dem Beschlussantrag zu TOP 1 gefasster Beschluss wäre jedenfalls im Hinblick auf Ziffer b) nichtig, da für d...

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