Verfahrensgang

AG Meiningen (Entscheidung vom 13.07.2011; Aktenzeichen Bs 2/10)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die sofortige Beschwerde des Privatklägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Meiningen vom 13.07.2011 dahin abgeändert, dass der Privatkläger dem Privatbeklagten notwendige Kosten- und Auslagen in Höhe von 648,76 EUR zu erstatten hat.

  • 2.

    Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie den notwendigen Auslagen des Privatklägers hat der Privatkläger 80% und der Privatbeklagte 20% zu tragen. Von den notwendigen Auslagen des Privatbeklagten im Beschwerdeverfahren hat dieser selbst 20% und der Privatkläger 80% zu tragen.

  • 3.

    Der Beschwerdewert wird auf 514,88 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Privatkläger führte gegen den Privatbeklagten eine Privatklage wegen Sachbeschädigung. Der Privatbeklagte soll am 07.10.2009 über die Grundstücksgrenze hinaus Äste von zwei Sitkafichten des Klägers unberechtigt entfernt haben. Die Antragsschrift wurde von dem Privatkläger persönlich erhoben und dem Privatbeklagten am 19.03.2010 zugestellt. Der äußerte sich mit Schreiben vom 22.03.2010, ebenfalls ohne anwaltliche Vertretung, zu den Vorwürfen. Mit Beschluss vom 11.10.2010 eröffnete das Amtsgericht das Hauptverfahren und beraumte mit Verfügung vom gleichen Tage Hauptverhandlungstermin auf den 10.01.2011 an. Mit Schriftsatz vom 28.10.2010 zeigte Herr Rechtsanwalt Latour die Vertretung des Privatbeklagten an und beantragte Akteneinsicht. Die Akte hatte zu diesem Zeitpunkt 30 Seiten. Der Verteidiger erhielt Akteneinsicht und reichte die Verfahrensakte unter dem 08.11.2010 an das Amtsgericht zurück. Eine Stellungnahme zur Anklageschrift wurde nicht abgegeben. Die Hauptverhandlung wurde am 10.01.2011 von 9:40 Uhr bis 10:52 Uhr durchgeführt. Im Hauptverhandlungstermin nahm der Privatkläger die Privatklage zurück. Das Amtsgericht legte durch Beschluss dem Privatkläger die Kosten des Verfahrens sowie die dem Privatbeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen auf.

Mit Schriftsatz vom 11.02.2011 beantragte der Verteidiger des Privatbeklagten die Kostenfestsetzung wie folgt:

Grundgebühr Verteidiger Nr. 4100 VV RVG

165,00 EUR

Verfahrensgebühr für ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht Nr. 4106

140,00 EUR

VV RVG

Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG

230,00 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG; Ablichtungen (42 Seiten)

21,00 EUR

Zwischensumme netto

576,00 EUR

19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

109,44 EUR

Reisekosten der Partei

112,07EUR

Zahlbetrag

797,51 EUR

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.07.2011 setzte das Amtsgericht die Gebühren auf 909,58 EUR fest, wobei die Parteiauslagen doppelt in Ansatz gebracht wurden

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte der Privatkläger fristgerecht sofortige Beschwerde ein. Begründend führt er aus, dass die Gebührenbestimmung des Privatbeklagtenvertreters unbillig hoch sei.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.

Die durch den Privatbeklagtenvertreter vorgenommene Kostenabrechnung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

Die beantragte Grundgebühr nach VV 4100 ist überhöht und damit unbillig. Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dieser Gebühr um eine Rahmengebühr handelt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG wird bei der Rahmengebühr die Höhe der Gebühr vom Verteidiger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach billigem Ermessen bestimmt. Zu den Umständen des Einzelfalls zählt das Gesetz Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten. Die Höhe der Gebühr ist also vor allem abhängig von den vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten, insbesondere also von der Dauer des ersten Gesprächs, das er mit dem Mandanten geführt hat. Insofern wird der Umfang der Vorwürfe, die dem Mandanten gemacht werden, ebenso von Belang sein wie die Schwierigkeit der Sache. Beides hat im Zweifel Einfluss auf die Dauer des Gesprächs. Erhebliche Bedeutung hat auch der Umfang der Akten, in die der Rechtsanwalt erste Einsicht genommen hat. Darauf wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich abgestellt (BT-Drucks. 15/1971, S. 281). Umfang und Schwierigkeit sind im Rahmen des § 14 RVG die maßgeblichen Kriterien. Der Gesetzgeber hat hier im Gegensatz zu § 12 BRAGO bewusst eine Umkehr der Gewichtung und Reihenfolge der Kriterien vorgenommen. Die Höhe der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG ist weiterhin nicht vom Rang des Gerichts abhängig, bei dem das Verfahren anhängig ist bzw. anhängig wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gebührenrahmen für sämtliche Strafverfahren gelten und deshalb insbesondere bei den Bemessungskriterien Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber der Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Frage, ob eine unterdurchschnittliche, durchschnittliche (Mittelgebühr) oder überdurchschnittliche Gebühr angemessen ist, nicht nur die be...

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