Orientierungssatz

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gibt dem Anzeigenerstatter einer schweren Straftat auch nach dem rechtskräftigen Freispruch des von ihm Beschuldigten einen Anspruch darauf, nicht zum Gegenstand öffentlicher Darstellung gemacht zu werden. Der Anzeigenerstatter begibt sich dieses Rechts auf Anonymität aber jedenfalls dann, wenn er den angezeigten Sachverhalt an eine Filmgesellschaft verkauft und den Film im Vorfeld der Produktion durch Interviews bewirbt.

 

Tenor

  • 1.

    Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Mannheim vom 11.10.2012 wird aufgehoben; der darauf gerichtete Antrag vom 11.10.2012 wird abgelehnt.

  • 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  • 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ein gerichtliches Verbot gegenüber dem Verfügungsbeklagten (nachfolgend: Beklagter), sie in öffentlichen Darstellungen mit dem vollständigen Familiennamen zu benennen.

Die Klägerin ist als Moderatorin beim Radiosender "xxx" tätig.

Der Beklagte ist Moderator, Journalist und Unternehmer. Einer breiten Öffentlichkeit ist er durch die Wettervorhersage im Anschluss an die Sendungen Tagesschau bzw. Tagesthemen bei der xxx bekannt.

Die Klägerin hatte im Februar 2010 gegen den Beklagten Strafanzeige wegen schwerer Vergewaltigung erstattet. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde der Beklagte am 20. März 2010 vorläufig festgenommen und befand sich vom 21.03. bis 29.07.2010 in Untersuchungshaft. Die von großer Medienaufmerksamkeit begleitete Hauptverhandlung dauerte über 44 Verhandlungstage von Anfang September 2010 bis Ende Mai 2011. Durch das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 31.05.2011 wurde der Beklagte von den gegen ihn gerichteten Vorwürfen frei gesprochen. Ergänzend wird auf die Pressemitteilung des Landgerichts Mannheim vom 31. Mai 2011 verwiesen (AG 26).

Während der Phase der Ermittlungen und der Hauptverhandlung wurde der Vor- und Zuname der Klägerin in der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben. Dieser gelang es auch weitgehend, ihr äußeres Erscheinungsbild vor den Medien zu verbergen (AG 8, AG 13).

Das - inzwischen rechtskräftige - Urteil der Strafkammer (ASt 1) enthält in den Gründen die Feststellung, dass zwar eine Reihe von Indizien - Datenlöschung (Urteil Seite 264); Zeitpunkt der Anzeigenerstattung (Urteil Seite 267); Verletzungen (Urteil Seite 277); authentisch geschilderte Todesangst (Urteil Seite 275) - für den Erlebnisbezug der Angaben der damaligen Nebenklägerin (jetzigen Klägerin) spreche, dass diese aber andererseits "über mehrere polizeiliche Vernehmungen hinweg und auch ihren Eltern und ihrem Therapeuten gegenüber zur verfahrensgegenständlichen Vorgeschichte bzw. zum Randgeschehen nachweislich falsche Angaben gemacht ..." hat, die sie erst unter dem ganz erheblichen Befragungsdruck der Staatsanwaltschaft eingeräumt hat (Urteil Seite 276).

Nach der Urteilsverkündung durch die Strafkammer gab der Beklagte am 09. Juni 2011 der Wochenzeitung "xxx" ein ausführliches Interview. Dabei erhob er den Vorwurf, die Klägerin habe sich die Vergewaltigung nur ausgedacht (ASt 10). In einem am 16. Juni 2011 veröffentlichten Interview in der in der Schweiz erscheinenden xxx äußert sich der Beklagte umfangreich zu seinem Prozess und den Aussagen der "Nebenklägerin xxx" (AG 1). In einem Prozess beim Landgericht Köln hat die Klägerin hierauf in der Widerspruchsschrift vom 23. August 2011 Bezug genommen (AG 2).

Die Klägerin gab der Wochenzeitschrift xxx ein Exklusiv-Interview, das in deren Ausgaben 25/11 vom 16. Juni 2011 erschienen ist. Auf der Titelseite befindet sich ein Portrait-Foto der Klägerin. Darunter heißt es:

"Exklusiv-Interview

mit xxx.

jetzt

redet sie!"

Der mehrseitige Bericht im Inneren des Hefts enthält 8 Farblichtbilder, welche die Klägerin als junge attraktive Dame darstellen. Nach einem Prozessbericht mit Aufnahmen der weiteren Prozessbeteiligten folgt ein mehrseitiges Interview. Ergänzend wird auf das Anlagenkonvolut AG 9 verwiesen.

Auch die große Mehrheit der Medien bezeichnete die Klägerin in anonymisierter Form als "xxx." (ASt 8) oder "xxx.". In einem Beitrag in "xxx" Herbst 2011 wird die Klägerin mit vollständigem Namen erwähnt (ASt 9, AG 4).

In der zweiten Hälfte des Jahres 2011 verkaufte die Klägerin die Geschichte vom Frühjahr 2010 an die TV-Produktionsfirma xxx (nachfolgend auch: die Filmgesellschaft). Im Oktober 2011 wurde dies den Medien bekannt (AG 14). In einem xxx-Interview vom 28. Dezember 2011 äußerte sich die Klägerin über ihr Projekt. Auf xxx.de (AG 15) heißt es u.a.:

"Sie ist die Ex-Geliebte von xxxx* und Belastungszeugin im Vergewaltigungsprozess gegen ihn - jetzt wird die Geschichte von xxx. ...

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