Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen schuldloser Belästigung anderer Mieter

 

Orientierungssatz

1. Wiederholte schwerwiegende Pflichtverletzungen eines Mieters, die ein weiteres Zusammenleben für die übrigen Mieter als unzumutbar erscheinen lassen, geben dem Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Vertragsbeendigung auch dann, wenn den Störer infolge krankhaften Verhaltens kein Schuldvorwurf trifft. In derartigen Ausnahmefällen kommt es auf das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung als gesetzliche Kündigungsvoraussetzung iS des BGB &, § 564b Abs 2 Nr 1, BGB § 554a nicht an.

2. Die wiederholte Störung der Nachtruhe in einem Mehrfamilienhaus nach 23.00 Uhr durch heftiges Schreien und Brüllen ist im Hinblick auf das Ruhebedürfnis der übrigen Mieter auch dann als schwerwiegende Pflichtverletzung anzusehen, wenn die Störungen jeweils nur 10 Minuten dauern.

 

Tatbestand

Die Beklagten, Mutter und Sohn, bewohnen aufgrund Mietvertrages vom 15.6.1971 eine 3-Zimmerwohnung im Hause der Klägerin in H., G.-Straße; der Mietzins beträgt einschließlich einer Nebenkostenvorauszahlung monatlich 420,-- DM.

Schon 1972 hatten sich andere Hausbewohner deswegen beschwert, weil der Beklagte Ziffer 2 ihre Nachtruhe durch Lärm beim nächtlichen Nachhausekommen störte. Im Dezember 1974 und Januar 1975 verursachte der Beklagte Ziffer 2, der sich ab 1973 zeitweise in neurologischer Behandlung befand, in mindestens 3 Fällen nächtliche Ruhestörungen in der Zeit zwischen 23 Uhr und 4 Uhr, indem er in der Wohnung laut schrie und brüllte. Dies führte zur fristlosen Kündigung vom 15.1.1975 (Bl I 9), von der die Klägerin aber auf Rücksprache mit den Beklagten Abstand nahm. Mit Einschreiben vom 10.2.1975 (Bl 18) kündigte die Klägerin das Mietverhältnis erneut fristlos, da es wiederum mehrfach zu nächtlichen Ruhestörungen durch den Beklagten Ziffer 2 gekommen war. Auf das Versprechen, in Zukunft Ruhe zu halten, ließ sich die Klägerin von der Erhebung der Räumungsklage abhalten. In der Nacht des 11./12.4.1975 war der aus der Wohnung der Beklagten dringende Lärm so groß, daß Nachbarn die Polizei holten mußten. Auf diese Vorfälle hin kündigte die Klägerin durch Einschreiben vom 18.4.1975 (Bl I, 6) fristlos zum 30.4.1975 und erhob unter dem 9.5.1975 beim Amtsgericht Weinheim Räumungsklage.

Gegen die vor dem Amtsgericht nicht anwaltlich vertretenen Beklagten erließ das Amtsgericht im Termin vom 10.6.1975 antragsgemäß Versäumnisurteil auf Räumung. Nach formgerechter und fristgerechter Einlegung des Einspruchs bestätigte das Amtsgericht den Räumungsausspruch durch Urteil vom 2.9.1975, weil die unbestrittenen häufigen Störungen der Nachtruhe die Klägerin zur Kündigung gemäß § 553 BGB berechtigt hätten. Wegen der Begründung im einzelnen sowie des Vorbringens der Parteien vor dem Amtsgericht und ihrer dort gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Gegen das am 20.9.1975 zugestellte Urteil legten die Beklagten am 20.10.1975 Berufung ein, die sie am 22.10.1975 begründeten.

Zur Begründung tragen sie im wesentlichen vor, daß das nächtliche Schreien und Brüllen des Beklagten Ziffer 2 die Folge einer neurologischen Erkrankung und hierdurch bedingter Schmerzanfälle gewesen sei. Die Vorfälle hätten jeweils nur ca 10 Minuten gedauert und nach Einnahme von Beruhigungstabletten aufgehört. Seit dem Frühjahr 1975 sei es in ihrer Wohnung im übrigen ruhig gewesen.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Amtsgerichts Weinheim vom 2.9.1975 und das Versäumnisurteil vom 10.6.1975 aufzuheben und die Klage abzuweisen;

hilfsweise: Gewährung einer Räumungsfrist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, daß der nächtliche Lärm jeweils mindestens 1/2 Stunde gedauert habe. Sie bestreitet, daß die Ruhestörungen krankheitsbedingt seien; der Beklagte Ziffer 2 habe auch schon vor seiner Erkrankung ruhestörenden Lärm in der Wohnung verursacht. Nach einer längeren Zeit von Ruhestörungen sei die Kündigung im übrigen die letzte Möglichkeit gewesen, den anderen Mietern im Haus die vertragsgemäße Wohnmöglichkeit zu gewähren und damit einem Auszug von anderen Mietern vorzubeugen, nachdem die Beklagten ihrer Versprechen, in Zukunft von nächtlichen Ruhestörungen abzusehen, immer wieder gebrochen hätten. Am 10.11. und 4.12.1975 seien jeweils um etwa 24 Uhr aus der Wohnung der Beklagten wiederum lautstarkes Gebrüll und unartikuliertes Schreien zu hören gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig gemäß den §§ 511ff ZPO. Sie ist aber unbegründet, weil die Kündigung vom 18.4.1975 das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis gemäß § 564b Abs 1 BGB wirksam beendet und die Klägerin somit gemäß § 556 Abs 1 BGB einen Räumungsanspruch und Herausgabeanspruch gegen die Beklagten hat.

1.

Den Beklagten ist zuzugeben, daß die fristlose Kündigung vom 18.4.1975 nicht nach § 553 BGB...

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