Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumunh

 

Verfahrensgang

AG Mannheim (Urteil vom 14.10.1992; Aktenzeichen 8 C 348/92)

 

Tenor

1.) Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 14.10.1992 (8 C 348/92) hinsichtlich seiner Ziffer 2 wie folgt abgeändert:

Der Schuldnerin wird eine Räumungsfrist bis 31.03.1993 gewährt.

2.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Gläubigerin zur Last.

3.) Der Beschwerdewert wird auf 400,00 DM (i.W. vierhundert) festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Nach dem Anerkenntnis-Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 14.10.1992 ist die Schuldnerin verpflichtet, ihre Wohnung zu räumen und an die Gläubigerin herauszugeben. In Ziffer 2 dieses Urteils hat das Amtsgericht ausgesprochen, daß der Schuldnerin keine Räumungsfrist zu gewahren sei. Gegen diesen Teil der amtsgerichtlichen Entscheidung hat die Schuldnerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

(1) Die streitbefangenen Räume sind Teil eines einheitlichen Pachtvertrages über eine Gaststätte. Auf diesem Pachtvertrag ist einheitlich gewerbliches Miet- oder Pachtrecht anzuwenden, weil der Schwerpunkt der Vertragsbeziehungen zweifelsfrei im gewerblichen Bereich liegt. In Fällen dieser Art kommt die Gewährung einer Räumungsfrist für die Wohnräume nur in Betracht, wenn die getrennte Rückgabe der Wohnräume einerseits und der Geschäftsräume andererseits tatsächlich möglich, wirtschaftlich sinnvoll und dem Vermieter zumutbar ist. Die Gläubigerin hat hierzu in der Beschwerde vorgetragen, daß die Eigentümer der Räumlichkeiten die Gaststätte umbauen wollen. Zu diesem Zweck müßte die Zufuhr von Strom und Wasser sowie die Gasbeheizung vorübergehend eingestellt werden. In diesem Fall sei auch die Wohnung ohne Wasser und Energieversorgung.

Dieser Umstand schließt die Gewährung einer Räumungsfrist nicht aus. Es ist allgemein bekannt, daß derartige Probleme technisch ohne weiteres zu lösen sind.

(2) Die Entscheidung über die Gewährung einer Räumungsfrist ist aufgrund einer Interessenabwägung zu treffen.

(a) Dabei ist zugunsten der Gläubigerin zu berücksichtigen, daß diese ihrerseits verpflichtet ist, die Räumlichkeiten an die Eigentümer herauszugeben und daß die Eigentümer im Falle der Nichterfüllung möglicherweise Schadensersatzansprüche geltend machen werden. Zugunsten der Schuldnerin fällt ins Gewicht, daß diese über keine Ersatzwohnung verfügt und im Falle der Zwangsräumung in eine Obdachlosenunterkunft eingewiesen werden müßte. Dies trifft die Schuldnerin besonders hart, da sie ein dreijähriges Kind … und einen vier Monate alten Säugling zu versorgen hat (vgl. AG Hamburg WM 92, 147).

Die Abwägung zwischen den Interessen der Gläubigerin und denen der Schuldnerin ergibt, daß die Interessen der Schuldnerin vorrangig sind. Die Unterbringung einer Mutter mit zwei Kleinkindern in einer Obdachlosenunterkunft kommt nur bei ganz gewichtigen Gläubigerinteressen in Betracht. Hiervon kann nicht ausgegangen werden. Dies gilt schon deshalb, weil die Vertragsbeendigung nicht von der Schuldnerin zu vertreten ist und die Gläubigerin damit rechnen mußte, daß die Schuldnerin bei einer kurzfristigen Kündigung der Gaststättenpacht nicht vor heute auf morgen ausziehen kann.

(b) Das Amtsgericht hat ausgeführt, daß die Schuldnerin ihre Obliegenheit zur Beschaffung von Ersatzraum nicht erfüllt habe.

Dies trifft zu: Richtig ist auch, daß eine Räumungsfrist in einem solchen Fall im allgemeinen nicht gewährt werden kann. Vorliegend ist allerdings zu bedenken, daß eine von Sozialhilfe lebende alleinstehende ausländische Mieterin mit einem Kleinkind und einem Säugling bei den gegenwärtigen Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt ohne fremde Hilfe kaum eine Wohnung erhalten wird. Deshalb genügt es in einem solchen Fall grundsätzlich, wenn der zur Ersatzraumsuche Verpflichtete sich mit der Wohnungsbehörde in Verbindung setzt (vgl. AG Freiburg WM 91, 686; AG Hannover, WM 91, 553; LG Darmstadt MM 91, 131). Dies hat die Schuldnerin getan.

(c) Das Amtsgericht hat weiter ausgeführt, daß die Schuldnerin seit März 1992 kein Entgelt für die Nutzung der Räume gezahlt habe.

Die Kammer ist mit dem Amtsgericht der Meinung, daß die Gewährung einer Räumungsfrist grundsätzlich nicht in Betracht kommt, wenn der Schuldner keine Nutzungsentschädigung zahlt. In der Beschwerde hat die Schuldnerin hierzu aber vorgetragen, daß die Zahlung der Nutzungsentschädigung ab August 1992 durch das Sozialamt sichergestellt sei. Dies hat die Gläubigerin nicht bestritten.

Der Umstand, daß aus der Vergangenheit noch Mietrückstände offen stehen, steht der Gewährung einer Räumungsfrist nicht entgegen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; der Beschwerdewert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1402411

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