Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorenthaltens von Arbeitsentgelt

 

Verfahrensgang

AG Leipzig (Beschluss vom 06.02.2001; Aktenzeichen 81 Cs 211 Js 1950/99)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 06.02.2001

aufgehoben.

Die Staatsanwaltschaft hat zu Recht die Einwendungen der Verurteilten gegen die Maßnahme des Rechtspflegers der Staatsanwaltschaft Leipzig vom 03.08.2000, wodurch wegen Nichteinbringlichkeit der Gesamtgeldstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wurde, zurückgewiesen.

Die Verurteilte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

Die Strafkammer teilt nicht die Auffassung des Amtsgerichts Leipzig in dem von der Staatsanwaltschaft mit zulässiger Beschwerde angefochtenen Beschluss.

Das Amtsgericht übersieht zunächst zwar nicht, dass eine unbillige Härte im Sinne des § 459 f StPO, wonach die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleiben kann, nicht alleine deswegen angenommen werden kann, weil die Geldstrafe nicht beitreibbar ist oder der Verurteilte unverschuldet vermögenslos geworden oder unfähig ist, die Mittel für seinen Unterhalt und den seiner Familie aufzubringen. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzukommen, aufgrund derer mit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe eine außerhalb des Strafzwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Verurteilten auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Strafe nicht zugemutet werden kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Auflage Rdnr. 2 zu § 459 f).

Nach Auffassung der Strafkammer hat ein Insolvenzverfahren aber weder Einfluss auf die Höhe der Geldstrafe noch bedeutet die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dass während des Verfahrens strafrechtliche Vollstreckungsmaßnahmen, die sich aus dem StGB und der StPO ergeben, nicht mehr durchgeführt werden können. Im Bereich der Geldstrafenvollstreckung kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch weiterhin die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 43 StGB angeordnet werden. Der Abschluss des Insolvenzverfahrens muss vor Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht abgewartet werden, denn nach § 459e Abs. 2 i.V.m. § 459c Abs. 2 StPO kann die zivilrechtliche Beitreibung der Geldstrafe unterbleiben, wenn sie in absehbarer Zeit keinen Erfolg verspricht.

Im Normalfall kann bei Einleitung eines Insolvenz- oder Restschuldbefreiungsverfahrens davon ausgegangen werden, dass für einen längeren Zeitraum keine zivilrechtliche Beitreibung der Geldstrafe stattfinden kann. Bei einem Verfahren der Restschuldbefreiung dauert allein die sogenannte “Wohlverhaltensphase”, in der der Schuldner gegenüber den Gläubigern seine Schulden laufend tilgen muss und in der die Zwangsvollstreckung ausgeschlossen ist, sieben Jahre (§ 287 Abs. 2 Satz 1 Insolvenzordnung) Ein so langer Zeitraum entspricht nicht mehr dem Gebot einer nachdrücklichen Strafvollstreckung wie sie im § 2 Abs. 1 der Strafvollstreckungsordnung festgelegt ist (vgl. dazu neuestens Zeitler, Rechtspfleger 2001, 337, 338).

Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens steht von daher auch nicht der Möglichkeit entgegen, sofern der Verurteilte dies wünscht, die Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe durch Ableistung freier Arbeit oder gemeinnütziger Leistungen gemäß § 293 EGStGB abzuwenden.

Die Strafkammer ist überzeugt, dass der Gesetzgeber im Insolvenzrecht nicht dessen Vorrang vor dem Strafrecht festschreiben wollte. Obwohl die Geldstrafe als solche im Insolvenzfall nur mit Nachrang vollstreckt werden kann, bedeutet das nicht etwa, dass sich der Verurteilte damit den Anordnungen aus dem Strafurteil entziehen könnte. Die Strafzwecke, die mit der Verhängung von Geldstrafen verfolgt werden, würden so entscheidend verwässert werden, was für die Allgemeinheit, insbesonders die Opfer von Straftaten, unverständlich wäre. Insofern bedeutet eine Geldstrafe nicht nur eine reine Zahlungsforderung des Staates; die mit einer Geldstrafe verfolgten Zwecke gehen darüber hinaus.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO.

 

Unterschriften

…, Vorsitzender Richter am Landgericht

…, Richter am Landgericht

…, Richterin am Landgericht

 

Fundstellen

Haufe-Index 1691547

EWiR 2002, 167

ZIP 2002, 142

NZI 2002, 58

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