Verfahrensgang

AG Kerpen (Urteil vom 23.03.2010; Aktenzeichen 104 C 419/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Kerpen vom 23.03.2010 – Az.: 104 C 419/09 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 764,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2008 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtstreits trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 14.10.2008 (Az.: 71 IN 308/08) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Autocenter O GmbH bestellt worden, nachdem diese am 6.8.2008 selbst einen Insolvenzantrag bei Gericht gestellt hatte.

Bereits am 13.5.2008 bestand eine Liquiditätslücke von mehr als 10 Prozent der fälligen Gesamtverbindlichkeiten bei der Insolvenzschuldnerin und es war nach den defizitären Jahresabschlüssen der Gesellschaft, dem negativen Geschäftsvermögen und der bestehenden sonstigen Verbindlichkeiten damals ausgeschlossen, dass diese Liquiditätslücke noch zu schließen war; die meisten fälligen Verbindlichkeiten wurden bis zur Verfahrenseröffnung auch tatsächlich nicht mehr beglichen. Wegen der weiteren Details wird auf das Insolvenzgutachten vom 1.10.2008 (Anlage K 3, Bl. 34 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Beklagte war früher Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin. Ihm standen aus einem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich vom 28.4.2008 (Anlage B 1, Bl. 16 f. d.A.) noch Ansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin zu, wegen denen er die Zwangsvollstreckung betrieb. Aufgrund eines am 10.6.2008 der Sparkasse Köln/Bonn als Drittschuldnerin zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erhielt der Beklagte am 10.6.2008 seine offene Forderung in Höhe von 764,30 EUR überwiesen. Diesen Betrag fordert der Kläger nunmehr im Wege der Insolvenzanfechtung zurück.

Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.03.2010 (Bl. 70 ff. d.A.), dem Kläger zugestellt am 23.03.1020, abgewiesen. Hiergegen wendet sich die am 07.04.2010 eingegangene und am 28.04.2010 begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger wiederholt und vertieft seine Rechtsauffassung, die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung des Beklagten in der kritischen Zeit (also drei Monate vor dem Insolvenzeröffnungsbeschluss) sei als inkongruente Deckung anfechtbar.

Er beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des am 23.03.2010 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Kerpen, Az. 104 C 419/2009 zu verurteilen, an ihn 764,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2008 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung u.a. unter Vertiefung seiner Rechtsansicht, es handele sich um eine im konkreten Fall nicht anfechtbare kongruente Deckung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung hat vollumfänglich Erfolg.

Das Amtsgericht (im LS veröffentlicht in ZIP 2010, 1145) hat zwar zutreffend erkannt, dass ausreichender Sachvortrag für eine positive Kenntnis des Beklagten von der finanziellen Schieflage der Insolvenzschuldnerin fehlt und somit eine Insolvenzanfechtung ausscheiden muss, soweit sie subjektive Tatbestandsmerkmale voraussetzt. Indes geht fehl, dass das Amtsgericht auch eine Anwendbarkeit des allein an objektive Tatbestandsmerkmale anknüpfenden § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO verneint hat. Vielmehr steht dem Kläger nach Auffassung der Kammer – die im Übrigen nicht geneigt ist, dem Insolvenzrechtssenat des BGH stets ohne Weiteres zu folgen (Urt. v. 9.12.2009 – 13 S 230/09 gegen BGH, ZInsO 2009, 2293) – gegen den Beklagten der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 143 Abs. 1 InsO i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu.

1. Der Beklagte vereinnahmte als Gläubiger der Insolvenzschuldnerin aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 10.6.2008 den streitgegenständlichen Betrag von 764,30 EUR. Dieser Zeitpunkt lag innerhalb des von § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO genannten Zeitraums von drei Monaten vor dem Insolvenzeröffnungsbeschluss. Die Insolvenzschuldnerin war nach dem nicht ausreichend bestrittenen Klägervortrag zur Zeit der Handlung auch bereits zahlungsunfähig.

2. Die Rechtshandlung hat dem Beklagten als Insolvenzgläubiger auch „eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht…, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte.” Denn nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des BGH und der h.M. im Schrifttum ist eine während der „kritischen Zeit” im Wege der Zwangsvol...

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