Entscheidungsstichwort (Thema)

Gaststättenmiete: Absperren der Frischwasserversorgung nach Erlass eines vorläufig vollstreckbaren Räumungsurteils

 

Orientierungssatz

Das Absperren der Frischwasserversorgung für eine Gaststätte ist keine bloße Gebrauchshinderung, sondern stellt eine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht dar. Dies gilt auch dann, wenn der Gaststättenbetreiber durch ein vorläufig vollstreckbares Urteil zur Räumung und Herausgabe der Gaststätte an den Vermieter verpflichtet ist. Ein Räumungsurteil berechtigt nicht zur Selbsthilfe, sondern kann nur mit den gesetzlich vorgesehenen Vollstreckungsmaßnahmen durchgesetzt werden.

 

Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.12.2004 bleibt aufrecht erhalten.

Die weiteren Kosten des Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

 

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin zu 2. betreibt in den im Erdgeschoss des Gebäudes ..., Hannover, gelegenen Räumen eine Gaststätte mit Namen “...„.

Die Verfügungsbeklagte hatte der Verfügungsklägerin zu 1. die Gaststättenräume mit Mietvertrag vom 05.09.2002 (Bl. 5 ff. d.A.) i.V.m. einer Nachtragsvereinbarung vom 25./28.03.2003 (Bl. 65 ff d.A.) vermietet. Die Gaststättenräume werden von der Verfügungsklägerin zu 1. an die Verfügungsklägerin zu 2. untervermietet.

Nachdem die Verfügungsklägerin zu 1. die Mieten für die Monate Juni und Juli 2004 nicht gezahlt hatte, kündigte die Verfügungsbeklagte mit am 15.07.2004 übereichten Anwaltsschreiben vom 13.07.2004 das Mietverhältnis fristlos (11 O 302/04, Bl. 27 ff.). Mit - nicht rechtskräftigem - Urteil vom 15.12.2004 (11 O 302/04) ist die Verfügungsklägerin zu 1. zur Räumung und Herausgabe der Gaststätte an die Verfügungsbeklagte verurteilt worden. Mit weiteren anhängigen Klagen nimmt die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin zu 1. auf Zahlung von Mieten bzw. Nutzungsentschädigung in Anspruch (11 O 315/04: 28.366,76 € für Juli - Oktober 2004; 11 O 406/04: 9.360,- € für November 2004; 11 O 448/04: 9.860,- € für Dezember 2004). Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Verfahrensakten Bezug genommen.

Wie mit Schreiben vom 15.12.2004 (Bl. 15 f. d.A.) angekündigt, unterbrach die Verfügungsbeklagte am 17.12.2004 die Wasserzufuhr zu der Gaststätte.

Auf Antrag der Verfügungsklägerinnen ist der Verfügungsbeklagten durch Beschluss der Kammer vom 20.12.2004 (Bl. 23 d.A.) aufgegeben worden, die unterbrochene Wasserzufuhr zu der Gaststätte “...„ wiederherzustellen. Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 20.12.2004 (Bl. 37 ff. d.A.) Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerinnen sind der Ansicht, das Absperren der Wasserversorgung stelle eine verbotene Eigenmacht der Verfügungsbeklagten dar.

Die Verfügungsklägerinnen beantragen,

die einstweilige Verfügung vom 20.12.2004 aufrecht zu erhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 20.12.2004 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, die Verfügungsklägerinnen könnten eine Wiederherstellung der Wasserversorgung nicht beanspruchen, da sie - die Verfügungsbeklagte - den Mietvertrag mit der Verfügungsklägerin zu 1. wirksam gekündigt habe. Außerdem sei sie nicht zu einer Wasserversorgung auf ihre eigenen Kosten verpflichtet, weil ihr ein Zurückbehaltungsrecht zustehe.

Eine verbotene Eigenmacht sei nicht gegeben. Zum einen stelle die Unterbrechung lediglich ein Unterlassen dar, wobei aufgrund der Kündigung des Mietvertrages keine Pflicht zur Wasserversorgung mehr bestehe. Zum anderen handele es sich nicht um eine Besitzstörung, sondern um eine bloße Gebrauchshinderung, wobei nach Beendigung des Mietverhältnisses auch die Pflicht zur Gebrauchsgewährung beendet sei.

 

Entscheidungsgründe

Der Widerspruch der Verfügungsbeklagten ist gemäß §§ 936, 924 ZPO zulässig, er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die einstweilige Verfügung vom 20.12.2004 war aufrecht zu erhalten.

I. 1. Die Verfügungsklägerinnen haben gemäß §§ 862, 858 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Wiederherstellung der unterbrochenen Wasserzufuhr.

a) Die Unterbrechung der Wasserzufuhr durch die Verfügungsbeklagte stellt - auch bei wertender Betrachtung - kein bloßes Unterlassen, sondern ein aktives Tun dar. Die bislang bestehende Wasserversorgung wurde erst durch das Tätigwerden der Verfügungsbeklagten unterbunden, indem sie einen Absperr-Hahn der Versorgungsleitung schließen ließ.

b) Hierbei handelte es sich auch um eine Besitzstörung im Sinne des § 862 BGB (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 64. Aufl. 2005, § 862 Rn. 5; Bamberger-Roth/Fritzsche, BGB, Aktualisierung 2004, § 858 Rn. 10, jeweils m.w.N.). Eine Besitzstörung ist gegeben, wenn die bestimmungsgemäße Nutzung der Sache verhindert oder eingeschränkt wird (Bamberger-Roth, aaO). Da eine Gaststätte nicht ohne Frischwasserversorgung betrieben werden kann, wurde durch das Unterbrechen der Wasserversorgung die bestimmungsgemäße Nutzung der Gaststättenräume verhindert und hierdurch der bestehende Besitz der Verfügungskläger...

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