Verfahrensgang

AG Hannover (Urteil vom 15.07.2008; Aktenzeichen 543 C 5020/08)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 19.03.2009; Aktenzeichen IX ZA 2/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.07.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover – Az. 543 C 5020/08 – abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2 398,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.11.2007 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 229,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2008 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

(Gemäß § 540 ZPO)

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung in Anspruch.

Die Insolvenzschuldnerin beauftragte die Klägerin im Juli 2007 mit der Beerdigung ihres verstorbenen Vaters. Hinsichtlich der Vergütung (2 398,10 EUR) bevollmächtigte sie die Klägerin, die Leistungen aus zwei Lebensversicherungen in Empfang zu nehmen, die der Vater abgeschlossen und bei denen er jeweils die Insolvenzschuldnerin als Bezugsberechtigte bestimmt hatte. Der Lebensversicherer zahlte die Versicherungssummen (1 040,35 EUR und 1 686,05 EUR) an den beklagten Insolvenzverwalter aus.

Der Beklagte lehnte eine Auszahlung an die Klägerin mit der Begründung ab, die Klägerin habe – infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – nicht über die Versicherungssummen verfügen können.

Die Klägerin meint demgegenüber, die der Masse zugeflossenen Beträge seien gemäß § 805b Abs. 1 Nr. 4 ZPO unpfändbar, so dass die Insolvenzschuldnerin über diese Gelder habe verfügen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beträge seien nicht pfändungsfrei, denn der Pfändungsschutz des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO betreffe nur den Versicherungsnehmer, nicht den Bezugsberechtigten.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie beanstandet die Rechtsanwendung unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Vorschrift des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO diene der Vermeidung öffentlicher Lasten (Bestattung durch den Fiskus). Ohne die Bezugsberechtigungen hätte die Insolvenzschuldnerin die Bestattung nicht bei der Beklagten in Auftrag gegeben. Alle Erben hätten die Erbschaft ausgeschlagen.

Die Klägerin beantragt

das am 15.07.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover – Az. 543 C 5020/08 – abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2 398,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.11.2007 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 229,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Eine Privilegierung der Bestattungsinstitute sei nicht gewollt. Vielmehr sei die Erbengemeinschaft in Anspruch zu nehmen, ggfs. der Fiskus.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1. Die Kammer vermag der Rechtsansicht des Amtsgerichts nicht zu folgen. Vielmehr ist ein Anspruch der Klägerin auf Auskehr der vereinnahmten Versicherungssummen aus den beiden Lebensversicherungsverträgen aus § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB begründet.

Die Insolvenzmasse ist ungerechtfertigt bereichert, denn die ausgezahlten Summen sind gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO unpfändbar, so dass die Insolvenzschuldnerin darüber zugunsten der Klägerin verfügen durfte.

Eine Beschränkung des Regelungsgehalts auf den Pfändungsschutz des Versicherungsnehmers (und seinen Nachlass) ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Nach dem Wortlaut werden nicht bestimmte Personen einem Pfändungsschutz unterstellt. Vielmehr regelt § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Pfändungsfreiheit von „Ansprüchen”, ohne dabei hinsichtlich der Person des Anspruchsinhabers zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Bezugsberechtigten zu differenzieren.

Auch der Schutzzweck der Norm steht dem geltend gemachten Bereicherungsanspruch nicht entgegen, denn die seitens des Lebensversicherers ausgezahlten Gelder waren zur Tilgung der Beerdigungskosten bestimmt. § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO dient dem Zweck, die Kosten des Todesfalls zu decken und weder die Angehörigen noch den Staat mit diesen Kosten zu belasten (vgl. BT-Drucksache 8/693, S. 47; BGH – Beschluss vom 12.12.2007 – VII ZB 47/07). Diesem Schutzzweck entsprechend sind Lebensversicherungen nicht nur in den Händen des Versicherungsnehmers, sondern auch des im Vertrag Begünstigten unpfändbar (so Schuschke, Bd. I, § 850b ZPO, Rz. 17; a.A. wohl Haase, VersR 2006, 145,148). Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn – wie im v...

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