Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung des Mietvertrages. Pflichten des Erwerbers der Mietsache

 

Orientierungssatz

1. Bei einer Personenmehrheit von Mietern muß der Vermieter die Kündigung allen Mietern gegenüber aussprechen. Eine im Formularvertrag enthaltene Empfangsvollmacht eines einzelnen Mieters ist wirkungslos.

2. Die Schriftform der Kündigung wird nicht durch einen Prozeß-Schriftsatz gewahrt. Der Beglaubigungsvermerk deckt nur die Erklärung, daß Original und Kopie übereinstimmen.

3. Der für die ordentliche Kündigung geltende Grundsatz, daß nur die im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe berücksichtigt werden, sofern sie nicht nachträglich entstanden sind, gilt für die fristlose Kündigung entsprechend.

4. Hat der Vermieter gestattet oder jahrelang geduldet, daß der Mieter dritte Personen in die Wohnung aufnimmt, so kann der Erwerber des Grundstücks keine unerlaubte Gebrauchsüberlassung geltend machen.

 

Tatbestand

Die Beklagten sind Mieter einer Drei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 67,05 qm im Hause R.-Straße 3, H., auf Grund eines Mietvertrages vom 18. Juli 1972. Der Kläger ist durch Erwerb des Mietgrundstücks im Februar 1975 als Vermieter in das Mietverhältnis eingetreten. Die Beklagten bewohnten die Wohnung seit Beginn des Mietverhältnisses zusammen mit den Eltern der Beklagten zu 2.) und deren Tochter. Der Kläger, der hierin eine unzulässige Gebrauchsüberlassung sieht, mahnte den Beklagten zu 1.) mit Schreiben vom 30. Juni 1975 ab und sprach diesem gegenüber unter dem 18. Juli 1975 eine Kündigung zum 31. August 1975 aus, die auch für die Beklagte zu 2.) gelten sollte. Mit Schriftsatz vom 19. September 1975 wiederholte der Kläger die Kündigung, da die Beklagten ihn anläßlich einer Fernsehaufzeichnung zum Thema "Modernisierung brutal" verleumdet hätten. Schließlich kündigte der Kläger beiden Beklagten durch Schreiben vom 20. November 1975 wiederum, weil sie den Gebrauch vertragswidrig Dritten überlassen hätten. Wegen des Parteivorbringens I. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, durch das das Amtsgericht die Räumungsklage des Klägers abgewiesen hat. Hiergegen hat der Kläger formgerecht und fristgerecht Berufung eingelegt. Unter Bezugnahme auf sein Vorbringen I. Instanz hält er die Aufnahme der Eltern der Beklagten zu 2.) sowie deren Tochter für eine unzulässige Gebrauchsüberlassung, zumal die Wohnung dadurch übermäßig belegt werde. Das Amtsgericht habe zu Unrecht die im Verlaufe des Rechtsstreits ausgesprochenen Kündigungen nicht berücksichtigt. Es handele sich dabei nicht um einen verschiedenen Prozeßgegenstand, wie es irrig angenommen habe. Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen bewohnte Wohnung in H., R.-Straße 3, II. rechts, zu räumen und geräumt an ihn herauszugeben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und tragen vor, der Voreigentümer sei bei Vertragsabschluß damit einverstanden gewesen, daß die Eltern der Beklagten zu 2.) sowie deren Tochter mit in die Wohnung einzögen. Der Kläger sei zum Widerruf der erteilten Erlaubnis nicht berechtigt; die entsprechende Formularklausel im Mietvertrag sei unwirksam.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet; denn das Amtsgericht hat die Räumungsklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Aus der Kündigung vom 18. Juli 1975 kann der Kläger schon deshalb nichts herleiten, weil sie nur gegenüber dem Beklagten zu 1.) erklärt worden ist. Daran ändert nichts, daß der Kläger sich auf die Formularklausel im Mietvertrag bezogen hat, nach der es für die Rechtswirksamkeit von Erklärungen des Vermieters genügt, wenn sie gegenüber einem Mieter abgegeben werden und die Mieter zur Vornahme und Entgegennahme solcher Erklärungen als gegenseitig bevollmächtigt gelten. Nach ganz überwiegender Meinung, insbesondere in der Rechtsprechung der Hamburgischen Mietegerichte bezieht sich die Formular-Vollmacht nur auf Erklärungen im Rahmen eines bestehenden Mietvertrages, nicht jedoch auf Erklärungen, die auf eine Beendigung dieses Rechtsverhältnisses abzielen (vgl dazu Schmidt-Futterer, Wohnraumschutzgesetze z Aufl B 44, Sternel Wohnraum-Mietrecht I 92 mit weiteren Nachweisen). Das entspricht auch der Auffassung der Kammer. Zugrundezulegen ist dabei, daß die Formular-Vollmacht erst durch den Vertrag erteilt worden ist. Bei der gebotenen einschränkenden Auslegung von Formular-Klauseln ist nicht ersichtlich, daß ihr Umfang soweit gehen sollte, auch die Rechtsgrundlage für ihre Erteilung - nämlich den Vertrag - zu beseitigen (ebenso OLG Hamburg BlGBWR 1961, Seite 334). Die mit Schriftsatz vom 19. September 1975 ausgesprochene Kündigung rechtfertigt den Räumungsanspruch nicht; denn sie ist formnichtig. Sie wahrt nicht die auch für fristlose Kündigungen nötige Form des § 564a Abs 1 BGB. Diese Form ist nur eingehalten, wenn ...

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