Verfahrensgang

AG Büdingen (Urteil vom 28.01.1994; Aktenzeichen 2 C 816/93)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.1.1994 verkündete Urteil des Amtsgerichts Büdingen abgeändert und wie folgt gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, die Hecke entlang der Grenze zwischen den Grundstücken …, beide in …, durch Neuanpflanzung von Thuja occidentalis in Höhe von 1,50 m bis 1,75 m wieder herzustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

 

Gründe

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Beseitigung der Beeinträchtigung ihres Rechts auf Mitbenutzung einer Grenzeinrichtung in Anspruch, hilfsweise verlangt sie Schadensersatz. Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Im Jahre 1989 pflanzten sie entlang der Grundstücksgrenze eine Thuja-Hecke, wobei die Pflanzen – nach Art einer Zickzacklinie – zum einen Teil auf dem Grundstück der Klägerin, zum anderen auf dem Grundstück der Beklagten eingesetzt wurden. 1993 ließ die Beklagte die auf ihrem Grundstück stehenden Pflanzen gegen den erklärten Willen der Klägerin in einem Teilbereich direkt über dem Erdboden abschneiden und an deren Stelle einen Maschendrahtzaun errichten. Durch die von der Beklagten herbeigeführte Änderung sieht sich die Klägerin in ihrem Interesse an einem Sichtschutz zum Grundstück der Beklagten beeinträchtigt. Die Beklagte ist der Auffassung sie habe die auf ihrem Grundstück stehenden Thuja-Pflanzen ohne Zustimmung der Klägerin entfernen und zum Schutz ihrer Kinder einen Zaun anbringen dürfen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche weiter. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, den von ihr geschaffenen Eingriff in das Mitbenutzungsrecht der Klägerin an der Hecke entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze rückgängig zu machen und die entfernten Thuja-Pflanzen durch entsprechende zu ersetzen. Diese Verpflichtung hat ihre gesetzliche Grundlage in § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, der auf die Beeinträchtigung des Mitbenutzungsrechts an Grenzeinrichtungen entsprechend anwendbar ist (Palandt – Bassenge, BGB, 51. Aufl., § 922 Rz. 2, 4 m.w.N.). Die von der Beklagten vorgenommene Veränderung bezog sich auf eine Grenzeinrichtung i. S. von § 921, denn die entfernten Thuja-Pflanzen gehörten zu einer Hecke, die von der Grenze durchschnitten wurde, ohne daß es darauf ankäme, ob der Schnitt genau in der Mitte verlief. Auch diente die Hecke dem Vorteil beider Grundstücke, nämlich der Grenzscheidung. Mit der Bewertung als Grenzeinrichtung ist aber die gesetzliche Vermutung verknüpft, daß die Eigentümer der Nachbargrundstücke zur Benutzung der Einrichtung nur gemeinschaftlich berechtigt sind (§ 921 BGB). Inwieweit die Grenzeinrichtung dem einen oder dem anderen Nachbarn gehört, spielt für die Vermutung des gemeinschaftlichen Benutzungsrechts keine Rolle, solange nur keine äußeren Merkmale auf Alleineigentum eines Nachbarn an der gesamten Einrichtung hinweisen. Widerlegt ist die Vermutung, wenn das Alleineigentum eines Nachbarn feststeht (Palandt – Bassenge, § 921 Rz. 3). Vorliegend sprechen weder äußere Umstände dafür, daß sich die Hecke insgesamt auf dem Grundstück und damit im Alleineigentum der Beklagten befand, noch hat die Beklagte den Beweis ihres Alleineigentums geführt. Sie hat vielmehr selbst vorgetragen, die Pflanzen hätten sich zum Teil auf dem einen, zum Teil auf dem anderen Grundstück befunden. Damit gehörten die von der Beklagten entfernten Pflanzen zwar zu ihrem Grundstück (§ 94 Abs. 1 BGB) und auch zu ihrem Eigentum an dem Grundstück (§ 946 BGB), durch das gemeinschaftliche Benutzungsrecht der Klägerin an der Hecke insgesamt war die Beklagte aber in ihrer Einwirkungs- und Ausschließungsbefugnis gem. § 903 S. 1 BGB beschränkt. Insoweit durfte sie trotz ihrer Eigentümerstellung mit den Pflanzen nicht nach Belieben verfahren. Nach der gesetzlichen Ausgestaltung der durch das Mitbenutzungsrecht der Klägerin gezogenen Eigentumsschranke in § 922 S. 3 BGB durfte sie die zur Hecke gehörenden Pflanzen nicht ohne Zustimmung der Klägerin entfernen, solange diese noch irgendein Interesse am Fortbestand der Grenzeinrichtung hatte. Ein solches Interesse bestand aber im Hinblick auf den durch die Einrichtung bewirkten Sichtschutz, der durch das Entfernen einer Vielzahl der jeweils versetzt auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Pflanzen beeinträchtigt ist.

Zur Beseitigung der Beeinträchtigung sind die entfernten Thuja-Pflanzen neu zu setzen, wobei für jeden der durch das Absägen entstandenen Stümpfe – an deren jeweiliger Stelle – eine neue Pflanze in Höhe der noch vorhandenen einzupflanzen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI879800

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