Entscheidungsstichwort (Thema)

Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren: Verkürzung der Wohlverhaltensperiode in Verfahren nach neuem Recht

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 27.02.2003; Aktenzeichen 9 IN 373/02)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg vom 27.02.2003 (9 IN 373/02) dahingehend abgeändert, dass die Laufzeit der Abtretung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 08.07.2002 beginnt und fünf Jahre beträgt.

  • 2.

    Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Am 26.06.2002 hat die Schuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie auf Erteilung von Restschuldbefreiung gestellt. Gleichzeitig hat sie beantragt, die Wohlverhaltensperiode nach Artikel 107 EGInsO auf 5 Jahre abzukürzen, weil sie bereits vor dem 01.01.1997 zahlungsunfähig gewesen sei. Sie hat sich hierbei auf ein Schreiben der Stadtsparkasse L. bezogen, wonach sie auf insgesamt DM 208.475,88 hafte.

Nach Durchführung des Schlusstermins hat das Amtsgericht mit der angefochtenen Entscheidung die Restschuldbefreiung angekündigt (§ 291 InsO) und den Antrag auf Abkürzung der Wohlverhaltensperiode zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akte Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (vgl. Landfermann in HK-InsO, Artikel 107 EGInsO Rdnr. 4).

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Artikel 107 des am 05.10.1994 verkündeten Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO) bestimmt, dass sich die Laufzeit der Abtretung nach § 287 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung von 7 auf 5 Jahre verkürzt, wenn der Schuldner bereits vor dem 01.01.1997 zahlungsunfähig war. Artikel 107 bezieht sich damit auf § 287 der am selbem Tage verkündeten InsO.

§ 287 Absatz 2 Satz 1 InsO bestimmt, dass dem Antrag auf Restschuldbefreiung die Erklärung beizufügen ist, dass der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sieben Jahren nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmten Treuhänder abtritt. Artikel 1 Nr. 15 b des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 (BGBl. I 2710) hat diese Vorschrift dahingehend geändert, dass die darin beschriebene Wohlverhaltensperiode auf sechs Jahre verkürzt wird und die Frist bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu laufen beginnt. Artikel 9 des genannten Gesetzes hat das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung um eine Überleitungsvorschrift ergänzt, wonach auf Insolvenzverfahren, die vor dem 01.12.2001 eröffnet worden sind, die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden sind (Artikel 103a EGInsO). Artikel 107 EGInsO ist dabei unverändert geblieben.

Die Frage, ob bei nach dem 30.11.2001 eröffneten Insolvenzverfahren überhaupt noch eine Abkürzung der Wohlverhaltensfrist nach Art. 107 EGInsO in Betracht kommt, ist umstritten. Die Kammer schließt sich der Auffassung an, wonach für die dort beschriebenen Altfälle Artikel 107 EGInsO fort gilt (so auch LG Frankfurt ZInsO 2002, 1039; LG Hamburg ZInsO 2003, 241; Thomsen, ZInsO 2002, 813; Bindemann, ZInsO 2002, 1070; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Auflage § 287 Rdnr. 51; a.A. LG Düsseldorf ZInsO 2002, 938).

Richtig ist zwar, dass nach der Neufassung von § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO der Wortlaut von Artikel 107 EGInsO, wonach sich die Laufzeit der Abtretung von sieben auf fünf Jahre verkürzt, insoweit nicht mehr passt, als die Laufzeit nach derzeit geltendem Recht sechs Jahre beträgt. Damit wird Art. 107 EGInsO jedoch nicht unanwendbar. Die Vorschrift geht mit der abgeänderten Fassung des § 287 Abs. 2 S. 1 InsO dennoch nicht etwa ins Leere. Bereits sprachlich kann zwischen der nach der ursprünglichen Fassung abzukürzenden Frist von sieben Jahren und der Frist, auf welche abgekürzt werden soll, sinnvoll unterschieden werden. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber mit Artikel 107 EGInsO in generell pauschalisierender Form für Altfälle einen Ausgleich dafür geschaffen hat, dass sich das Inkrafttreten der Insolvenzordnung entgegen den ursprünglichen Plänen verzögert hatte. Die Betroffenen sollten von dieser Verzögerung nicht berührt werden. Zweck der Regelung war es vielmehr, redliche Schuldner nicht unzumutbar lange auf die gesetzliche Möglichkeit einer Restschuldbefreiung warten zu lassen (vgl. Vallender a.a.O..). Hieran hat sich durch die Neufassung von § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nichts geändert. Gerade die pauschalisierende Betrachtung zeigt, dass bei Verkündung des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 die mit dem Hinausschieben des Inkrafttretens der InsO verbundenen Nachteile bereits vor dem 1.1.1997 zahlungsunfähiger Schuldner noch wirksam waren und nach der Konzeption des Gesetzgebers einer Kompensation bedurften. Dass d...

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