Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen der Verkehrssicherungspflicht des Alten- und Pflegeheimbetreibers: Mobilitätseinschränkung für einen betagten Rollstuhlfahrer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Träger eines Alten- und Pflegeheims ist nicht berechtigt, die Bewegungsfreiheit der Heimbewohner im Heim und dem zugehörigen Freigelände nach eigenem Gutdünken durch technische oder administrative Vorkehrungen (Einschließen im Zimmer oder dem Wohnbereich, elektronische Sicherungsmaßnahmen, kontrolliertes Verbot, das Haus zu verlassen) zu beschränken. Er kann aber verpflichtet sein, den Betreuer zu veranlassen, einer die Freiheit des Heimbewohners einschränkenden Maßnahme zuzustimmen und die hierzu erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einzuholen.

2. Solange ein halbseitig gelähmter Heimbewohner die ihm verbliebene Mobilität nutzen möchte, um sich mit seinem Rollstuhl im Haus und auch im Freigelände des Heims frei zu bewegen, und er sich mit solchen Aktivitäten nicht auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung der Gefahr der Zufügung eines erheblichen gesundheitlichen Schadens aussetzt, gibt es nach dem Maßstab des § 1906 I Nr. 1 BGB keinen den Erfordernissen des Art. 2 II 3 GG genügenden Grund für eine in seine zentralen Grundrechte auf Freiheit und Selbstbestimmung eingreifende freiheitsbeschränkende Maßnahme.

 

Orientierungssatz

Nach diesem Maßstab für die anzuwendende Sorgfalt haftet der Alten- und Pflegeheimbetreiber nicht, wenn ein betagter, halbseitig gelähmter Rollstuhlfahrer mit nach einem Schlaganfall deutlich reduzierten Allgemeinbefund unbemerkt mit seinem Rollstuhl außerhalb des Hauses jedoch auf oder jedenfalls vor dem Heimgelände stürzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1736127

NJW 2005, 1952

NZV 2005, 368

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