Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechtigtes Interesse auch für außerordentliche Kündigung nach ZVG § 57a

 

Orientierungssatz

Auch für die Ausführung des außerordentlichen Kündigungsrechts nach ZVG § 57a muß der Ersteher ein berechtigtes Interesse im Sinne des BGB § 564b nachweisen.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage hat der Kläger als jetziger Eigentümer der im ersten Obergeschoß links im Hause J.-Straße 30 in E. gelegenen Wohnung von der Beklagten, die seit 1956 Mieterin dieser den Bindungen des Wohnungsbindungsgesetzes 1965 unterliegenden Wohnung ist, ua Räumung und Herausgabe verlangt.

Die 49 qm große Wohnung, für die die Beklagte eine Miete von monatlich 100,10 DM zahlt, hatte der Kläger durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren Anfang April 1974 erworben. Mit Schreiben vom 22.4.1974 kündigte er das Mietverhältnis zum 1.5.1975. Außerdem verlangte er die Zustimmung der Beklagten zu einer Mieterhöhung auf monatlich 220,80 DM.

Mit Schreiben vom 14.2.1975 ließ die Beklagte der Kündigung widersprechen.

Der Kläger hat behauptet, er benötige die Wohnung zur Unterbringung seines 87 jährigen Großvaters, damit er vn seiner, des Klägers, in der Nähe dieser Wohnung lebenden Mutter betreut werden könne. Er hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei jedenfalls als eine solche nach §§ 57, 57a ZVG wirksam gewesen.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung zu räumen und an ihn herauszugeben,

hilfsweise,

seinem Mieterhöhungsverlangen auf monatlich 220,80 DM zuzustimmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Mietverhältnis angemessen zu verlängern,

hilfsweise,

eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.

Sie hat den angeblichen Eigenbedarf bestritten und die Ansicht vertreten, die Kündigung sei ebenso wenig rechtmäßig wie das Mieterhöhungsverlangen.

Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Inhalt auch nur weiteren Darstellung des Tatbestandes verwiesen wird, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen, weil der Wirksamkeit der Kündigung § 1 Abs 2 Nr 2 Satz 2 des 1. Wohnraumkündigungsschutzgesetzes bzw die entsprechende neue Regelung in § 564b BGB entgegenstehe und ferner eine einseitige Mieterhöhung nur unter den Voraussetzungen des Verfahrens nach § 10 Wohnungsbindungsgesetz 1965 möglich gewesen wäre.

Gegen diese am 29.7.1975 verkündete, am 12.8.1975 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 9.9.1975 bei Gericht eingegangene und gleichzeitig mit einer Begründung versehene Berufung des Klägers, mit der er nur noch den Räumungsanspruch und Herausgabeanspruch verfolgt.

Er bezieht sich insoweit auf sein erstinstanzliches Vorbringen, rügt die rechtlichen Erwägungen des Amtsgerichts und beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und der Klage wegen des Räumungsanspruches und Herausgabeanspruches stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen; sie hält das Urteil des Amtsgerichts für richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, hat sachlich jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage auch wegen des Räumungsanspruchs und Herausgabeanspruchs abgewiesen. - Der Kläger kann Räumung und Herausgabe der Wohnung, deren Vermieter er gemäß § 571 BGB durch den Eigentumserwerb geworden ist, nicht verlangen, da das Mietverhältnis mit der Beklagten nicht beendet ist. Die Kündigung vom 22.4.1975 ist - wie das Amtsgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat - wegen Verstoßes gegen § 1 Abs 2 Nr 2 Satz 2 des 1. Wohnraumkündigungsschutzgesetzes (jetzt § 564b Abs 2 Nr 2 Satz 2 BGB) unwirksam, weil an der Wohnung nach der Überlassung an die Beklagte als Mieterin Wohnungseigentum begründet, das Wohnungseigentum an den Kläger als jetzigen Vermieter veräußert worden ist und seit der Veräußerung im April 1974 noch nicht die Frist von 3 Jahren abgelaufen ist. Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Kündigung vom 22.4.1974 um eine ordentliche Kündigung gemäß § 565 Abs 2 Satz 2 BGB oder um eine außerordentliche Kündigung nach § 57a ZVG handelt. Liegt eine ordentliche Kündigung vor, so ist selbstverständlich, daß § 1 des 1. Wohnraumkündigungsschutzgesetzes Anwendung findet. Dafür, daß eine ordentliche und eine außerordentliche Kündigung nach § 57a ZVG gewollt gewesen ist, spricht immerhin, daß der Kläger gemäß § 565 Abs 2 Satz BGB mit Jahresfrist vom 1.5.1975 die Kündigung erklärt hat; nach § 57a ZVG hätte sich die Kündigungsfrist nach § 565 Abs 5 in Verbindung mit Abs 2 Satz 1 BGB bemessen, wäre also - was die Frist anbelangt, bereits zum 1.8.1974 zulässig gewesen. Aber selbst wenn es sich gleichwohl um eine außerordentliche Kündigung nach § 57a ZVG mit einer vom Kläger freiwillig zugestandenen verlängerten Kündigungsfrist gehandelt hat, greift das Kündigungsverbot nach § 1 Abs 2 Nr 2 Satz 2 des 1. Wohnraumkündigungsschutzgesetzes ein....

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