Leitsatz (amtlich)

Unwirksamkeit der Vorpfändung nach § 46 (6) AO

 

Normenkette

AO § 46 Abs. 6; BGB §§ 829, 845, 930

 

Verfahrensgang

AG Essen (Entscheidung vom 14.06.2010; Aktenzeichen 30 M 26/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 10.11.2011; Aktenzeichen VII ZB 55/10)

 

Tenor

Die Beschwerde sowie der Antrag des Schuldners auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars A vom 08.02.1994 (UR Nr. ...) wegen eines Teilbetrages in Höhe von 500.000,- € nebst Zinsen und Kosten.

Am 02.01.2007 wurde um 7:45 Uhr durch den Gerichtsvollzieher ein vorläufiges Zahlungsverbot gem. § 845 ZPO an den Drittschuldner zugestellt. Die Vorpfändung bezog sich auf Steuererstattungsansprüche für das Jahr 2006. Die Gläubigerin hatte das Vorpfändungsschreiben (Bl. 103p d.A.) selbst gefertigt und bereits am 27.12.2006 an den Gerichtsvollzieher übergeben.

Ebenfalls am 02.01.2007, jedoch der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher nachfolgend, trat der Schuldner seinen Erstattungsanspruch an eine Frau S ab und zeigte dies dem Drittschuldner an.

Am 23.01.2007 erließ das Amtsgericht Essen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mittels dessen die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Steuererstattung gemäß der Anlage F (Bl. 3 d.A.) auf Zahlung des Lohnsteuerjahresausgleichs, insbesondere von Lohn- und Kirchensteuer sowie auf Erstattung von Einkommen-, Kirchen- und Vermögenssteuer für das Jahr 2006 gepfändet wurden. Der Beschluss ist inzwischen rechtskräftig geworden.

Nachdem der Schuldner zunächst erfolglos gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorgegangen war, legte er am 27.05.2010 Erinnerung gegen die Vorpfändung ein. Zur Begründung trug der Schuldner im Wesentlichen vor, dass die erfolgte Vorpfändung wegen eines Verstoßes gegen § 46 VI AO unwirksam sei. Zum einen sei diese Vorschrift auch auf Vorpfändungen anwendbar. Zum anderen sei jedenfalls für den Fall, dass der Gläubiger das Vorpfändungsschreiben selbst fertigt, mit "Erlass" im Sinne der Vorschriften nicht der Zeitpunkt der Zustellung, sondern der Zeitpunkt der Übergabe des Vorpfändungsschreiben an den Gerichtsvollzieher gemeint.

Mit Beschluss vom 14.06.2010 (Bl. 115f. d.A.), dem Schuldner zugestellt am 16.06.2010, hat das Amtsgericht Essen die Erinnerung zurückgewiesen. Das Amtsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass - ungeachtet erheblicher Zweifel an der Zulässigkeit einer Erinnerung gegen die Vorpfändung bei bereits formell rechtskräftigem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss - eine Unwirksamkeit der Vorpfändung nach § 46 VI AO nicht anzunehmen sei. Maßgeblich sei für die Frage der Wirksamkeit nur, dass eine Zustellung nach der Fälligkeit des Anspruches erfolge. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 845 ZPO.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen Beschwerde vom 30.06.2010, die beim Amtsgericht noch am 30.06.2010 einging. Auch im Rahmen der sofortigen Beschwerde rügt der Schuldner unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vorbringens die Unwirksamkeit der Vorpfändung wegen eines Verstoßes gegen § 46 VI AO.

Die Richterin des Amtsgerichts hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom 05.07.2010 der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die nach § 793 ZPO statthafte und zulässige - insbesondere form- und fristgerecht erhobene - sofortige Beschwerde, über welche die Kammer nach Übertragung der Sache durch den Einzelrichter gem. § 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO zu entscheiden hatte, hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht die Erinnerung des Schuldners gegen die Vorpfändung zurückgewiesen.

Zwar war die Erinnerung nicht schon aufgrund eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zurückzuweisen. Dies folgt insbesondere nicht aus der formellen Rechtskraft des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Denn für die Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist der Bestand der zu pfändenden Forderung irrelevant. Daraus folgt, dass sich auch aus der Rechtskraft des Beschlusses nicht ableiten lässt, ob die Pfändung Erfolg hatte, oder ob der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ins Leere ging. Für die Frage, ob im vorliegenden Fall die Forderungspfändung erfolgreich war, ist vielmehr von Bedeutung, ob die unstreitig erfolgte Abtretung der Forderung gegenüber der Gläubigerin wirksam erfolgen konnte. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn die zuvor erfolgte Vorpfändung wirksam gewesen und somit nach §§ 845, 930 ZPO die Wirkung eines Arrestes eingetreten wäre. Der Schuldner hat somit ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, die Wirksamkeit der Vorpfändung überprüfen zu lassen.

Die Vorpfändung, die Gegenstand der Erinnerung des Schuldners war, ist indes wirksam erfolgt. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 46 V...

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