Leitsatz (amtlich)

Zwangsversteigerungsverfahren, Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen Urkunde ohne Nachweis der Fälligkeit

 

Normenkette

BGB § 1193; ZPO §§ 726, 767

 

Verfahrensgang

AG Essen (Entscheidung vom 19.10.2010; Aktenzeichen 184 K 71/10)

 

Tenor

Unter Aufhebung des angefochtenen Beschluss wird das Amtsgericht angewiesen, die Zwangsversteigerung anzuordnen.

 

Gründe

Soweit das Amtsgericht durch den Beschluss vom 19.10.2010 den Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung zurückgewiesen hat, ist statthaftes Rechtsmittel die sofortige Beschwerde, die auch im Übrigen zulässig ist. Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde hat der Einzelrichter gemäß § 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO auf die Kammer in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.

In der Sache ist die Beschwerde begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses war das Amtsgericht anzuweisen, das von der Beteiligten als Gläubigerin beantragte Zwangsversteigerungsverfahren anzuordnen (§ 572 Abs. 3 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsvollstreckung liegen vor.

Die Beteiligte hat durch die eingereichten Unterlagen nachgewiesen, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen, also Titel, Klausel und Zustellung, vorliegen. Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der erteilten Klausel bestehen nicht.

Zwar hat der amtierende Notar im vorliegenden Fall bereits vier Tage, nachdem die Schuldnerin die Grundschuld durch die Erklärung vom 05.11.2009 (UR-Nr. ... des Notars N B E mit Amtssitz in E) bestellt hatte, die Klausel erteilt. Im Hinblick auf die Regelung in § 1193 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB konnte zu diesem Zeitpunkt die Grundschuld hinsichtlich des Kapitalbetrages von 67.000,00 Euro noch nicht fällig sein, da die nicht abdingbare Kündigungsfrist (§ 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB) von sechs Monaten noch nicht abgelaufen sein konnte. Diese materiell-rechtliche Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel musste der Notar jedoch nicht beachten, da nach dem weiteren Inhalt der Grundschuldbestellungsurkunde die Beteiligte als Gläubigerin berechtigt war, sich jederzeit ohne den Nachweis der Fälligkeit eine vollstreckbare Ausfertigung erteilen zu lassen.

Nach überwiegender Meinung (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Auflage, § 726 Rdnr. 16, Palandt/Bassenge, BGB, 2010, § 1193 Rdnr. 2, Stöber, ZVG, 19. Auflage, § 15 Anm. 15.3) kann die Vollstreckungsklausel trotz der Regelung in § 1193 BGB ohne Prüfung der Fälligkeit erteilt werden, wenn ein Schuldner wie hier, der das Grundpfandrecht bestellt hat, auf den Nachweis der Fälligkeitsvoraussetzungen durch die Abgabe einer entsprechenden -verfahrensrechtlichen- Erklärung wirksam verzichtet hat.

Zumindest im vorliegenden Fall schließt sich die Kammer aus den nachfolgenden Gründen der überwiegenden Meinung an.

Die Grundschuld ist für die Beteiligte, die betreibende Gläubigerin ist, bestellt worden. Probleme, die bei der Zwangsvollstreckung aus einem abgetretenen Grundpfandrecht auftreten können und die zu der Regelung in § 1193 BGB geführt haben, sind also auszuschließen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 30.03.2010, XI ZR 200/09). Auch ist der Antrag auf Zwangsversteigerung erst zu einem Zeitpunkt gestellt worden ist, zu dem bereits die gesetzlich vorgeschriebene Kündigungsfrist von sechs Monaten (§ 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB) abgelaufen sein konnte.

Aus Sicht der Kammer bestehen deshalb die vom Amtsgericht erhobenen Bedenken bezüglich des Nachweises der Vollstreckungsvoraussetzungen nicht. Es kann bei der hier vorliegenden Sachlage also nicht verlangt werden, dass die Beteiligte als betreibende Gläubigerin die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung gemäß § 726 ZPO nachweist. Dieser Nachweis der Fälligkeit wird vielmehr durch die Vollstreckungsklausel geführt, deren Rechtmäßigkeit das Vollstreckungsgericht nicht zu überprüfen hat (Stöber, ZVG, aaO., a.M. für die vorliegende Fallgestaltung MünchKomm/Eickmann, BGB, 5. Aufl., § 1193 Rdnr. 8).

Durch die hier getroffene Entscheidung werden im Übrigen die Rechte der Schuldnerin nicht wesentlich beeinträchtigt. Diese kann im Wege der Klage nach § 767 ZPO den Nichteintritt der Fälligkeit geltend machen (Stöber, ZVG, aaO.).

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.

Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Die Rechtssache hat im Hinblick auf die bereits ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.03.2010 aus Sicht der Kammer keine grundsätzliche Bedeutung, da hier die Gläubigerin vollstreckt, für die formularmäßig das Grundpfandrecht bestellt worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 4583084

JurBüro 2011, 553

Rpfleger 2011, 288

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