Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit des § 765a Zivilprozessordnung (ZPO) zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines suizidgefährdeten Schuldners. Aktivlegitimation eines Schuldners für Rechtsmittel gegen einen Zuschlagsbeschluss bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Zwangsversteigerung, Aktivlegitimation des Schuldners für Rechtsmittel gegen den Zuschlagsbeschluss, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, Anwendbarkeit des § 765 a ZPO, Suizidgefahr

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 100 I ZVG kann die (sofortige) Beschwerde gegen einen Zuschlagsbeschluss nur darauf gestützt werden, dass eine der Vorschriften der §§ 81, 83 bis 85 a ZVG verletzt, oder dass der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen erteilt ist. Nach § 100 III ZVG hat das Beschwerdegericht die in § 83 Nr. 6, 7 ZVG bezeichneten Versagungsgründe von Amts wegen zu berücksichtigen.

2. Nach § 83 Nr. 6 ZVG ist der Zuschlag zu versagen, wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grunde unzulässig ist. So ist Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO zu gewähren, wenn eine sittenwidrige Härte gegeben ist. Diese Norm ist jedoch als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Sie ist nur anzuwenden, wenn die Gesetzesanwendung zu einem ganz untragbaren Ergebnis führt, wenn also die Vollstreckung wegen der dem Schuldner drohenden Nachteile schlechthin dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspräche. Verlangt wird eine Interessenabwägung zwischen Schuldner und Gläubiger. Es muss eine sittenwidrige Härte für den Schuldner abwendbar sein, das Schutzbedürfnis des Gläubigers aber voll gewürdigt werden.

3. Zwar verpflichtet das Grundrecht aus Art. 2 II S.1 GG die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765 a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Die unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und – in absoluten Ausnahmefällen – auf unbestimmte Zeit einzustellen ist. Bei der Interessenabwägung sind aber auch die gewichtigen Interessen des Vollstreckungsgläubigers, die den Grundrechtsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen, angemessen zu berücksichtigen.

4. Auch wenn eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners mit der Zwangsvollstreckung verbunden ist, ist eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen einzustellen. Erforderlich ist vielmehr, das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 II GG) gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Gläubigerschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 IV GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr der Selbsttötung nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands, mit der zu rechnen ist, verbunden mit der bloßen Möglichkeit einer Kurzschlusshandlung, stellt ein allgemeines Lebensrisiko dar, das eine Einstellung der Zwangsversteigerung nicht rechtfertigt.

5. Nach § 100 I ZVG kann die (sofortige) Beschwerde gegen einen Zuschlagsbeschluss nur darauf gestützt werden, dass eine der Vorschriften der §§ 81, 83 bis 85 a ZVG verletzt, oder dass der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen erteilt ist. Nach § 100 III ZVG hat das Beschwerdegericht die in § 83 Nr. 6, 7 ZVG bezeichneten Versagungsgründe von Amts wegen zu berücksichtigen.

6. Nach § 83 Nr. 6 ZVG ist der Zuschlag zu versagen, wenn die Zwangsversteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens aus einem sonstigen Grunde unzulässig ist. So ist Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO zu gewähren, wenn eine sittenwidrige Härte gegeben ist. Diese Norm ist jedoch als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Sie ist nur anzuwenden, wenn die Gesetzesanwendung zu einem ganz untragbaren Ergebnis führt, wenn also die Vollstreckung wegen der dem Schuldner drohenden Nachteile schlechthin dem Rechtsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspräche. Verlangt wird eine Interessenabwägung zwischen Schuldner und Gläubiger. Es muss eine sittenwidrige Härte für den Schuldner abwendbar sein, das Schutzbedürfnis des Gläubigers aber voll gewürdigt werden.

7. Zwar verpflichtet das Grundrecht aus Art. 2 II S.1 GG die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765 a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Die unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen lä...

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