Entscheidungsstichwort (Thema)

eingeräumte Kreditlinie. abgerufener Dispositionskredit. Beiträge zur gesetzlichen Unfallvesicherung. Anspruch eines Insolvenzverwalters gegen einen Gläubiger einer Schuldnerin auf Rückzahlung der durch die Schuldnerin vorgenommenen Überweisungen an den Gläubiger wegen Insolvenzanfechtung. Voraussetzungen für das Vorliegen einer objektiven Gläubigerbenachteiligung bei Rechtshandlungen durch eine Schuldnerin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Insolvenzverwalter hat einen Anspruch aus §§ 143 I, 133 I InsO auf Rückerstattung zur Insolvenzmasse gegen den Empfänger einer Leistung des Insolvenzschuldners nach wirksamer Insolvenzanfechtung.

2. Unter einer Rechtshandlung im Sinne von §§ 129, 133 InsO ist jede bewusste Willensbetätigung zu verstehen, die eine rechtliche Wirkung auslöst, gleichgültig ob diese selbst gewollt ist oder nicht. Dazu gehören insbesondere Überweisungen von Geldbeträgen durch den Schuldner an einen seiner Gläubiger, auch wenn sie unter dem unmittelbaren Eindruck der drohenden Vollstreckung getätigt werden.

3. Eine objektive Gläubigerbenachteiligung ist gegeben, wenn die Insolvenzmasse durch die anfechtbare Handlung verkürzt worden ist, wenn sich also die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die fragliche Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten.

4. Zwar liegt eine objektive Gläubigerbenachteiligung dann nicht vor, wenn ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt wird, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft. Für die schlüssige Darlegung einer Gläubigerbenachteiligung bei Zahlungen über Bankkonten wird daher regelmäßig der Vortrag verlangt, dass diese Zahlungen aus einem Guthaben oder aus einer eingeräumten Kreditlinie erbracht worden sind. Demnach stellt nicht nur die Neukreditaufnahme zur Gläubigerbefriedigung durch den Schuldner eine objektive Gläubigerbenachteiligung dar, sondern auch die Ausschöpfung eines zuvor eingeräumten vom Schuldner abgerufenen Dispositionskredits. Bei einer Gläubigerbefriedigung aus einer offenen Kreditlinie ist das Recht zum Abruf des Dispositionskredits schon Vermögensbestandteil des Schuldners. Dabei ist nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt jeder angefochtenen Rechtshandlung andere Gläubiger bereits vorhanden sind, deren Forderungen durch die Zahlungen nicht mehr vollständig befriedigt werden können. Es genügt vielmehr eine mittelbare, gegebenenfalls auch erst künftig eintretende Gläubigerbenachteiligung.

5. Ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners liegt vor, wenn er einzelne Gläubiger durch Befriedigung oder Sicherung gegenüber anderen Gläubigern bevorzugen will. Hierfür ist nicht erforderlich, dass die Schädigung anderer Gläubiger für den Schuldner Zweck und Beweggrund seines Handelns ist. Vielmehr genügt es, dass er die Benachteiligung als Erfolg seiner Rechtshandlungen gewollt oder als mutmaßliche Folge seines Verhaltens erkannt und gebilligt hat. Ist einem Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit bewusst, so handelt er nur dann nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände mit der kurzfristigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht ihm die Zahlungsunfähigkeit, so bedarf es konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann.

6. Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn es dem Schuldner generell unmöglich ist, entsprechende Zahlungsmittel für den Ausgleich fälliger Zahlungen bereitzustellen. Die unterlassene Zahlung fälliger Beiträge zur Sozialversicherung ist ein Indiz für Zahlungsunfähigkeit. Es ist völlig fernliegend, dass ein Unternehmen Sozialversicherungsbeiträge aus bloßer Zahlungsunwilligkeit heraus nicht abführt, zumal die Nichtzahlung solcher Beiträge durch einen Arbeitgeber unter Umständen nach § 266a StGB strafbewehrt ist.

7. Ein Empfänger von Leistungen eines Schuldners an ihn hat im relevanten Zeitraum Kenntnis von dessen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der Handlungen kennt.

8. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können in der Regel nur mittelbar aus objektiven Tatsachen geschlossen werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis für den außenstehenden Anfechtungsgegner in der Regel aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden, wenn sich nicht der Schuldner mit der Mitteilung offenbart, er sei zahlungsunfähig. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht daher auch ihm Rahmen des § 133 I InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Einer solchen Kenntnis steht nicht entgegen, dass Überweisungen aus einer eingeräumten Kreditlinie geleistet...

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