Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 19.10.2004; Aktenzeichen 2 BvR 779/04)

 

Tenor

1. Der Antrag vom 27.12.2001 auf Rehabilitierung hinsichtlich einer psychiatrischen Untersuchung der Antragstellerin am 21.11.1972 in der Poliklinik Schwarzenberg sowie hinsichtlich einer Einweisung der Antragstellerin in die Psychiatrie Leipzig-Dösen für die Dauer vom 13. bis 23.12.1972 und ihrer dort erfolgten psychiatrischen Begutachtung wird als unbegründet

verworfen.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen der Antragstellerin der Staatskasse aufzuerlegen.

 

Tatbestand

I.

Am 21.11.1972 wurde die Antragstellerin gegen ihren Willen von ihrer Wohnung in Schwarzenberg in die Poliklinik Schwarzenberg gebracht und dort psychiatrisch untersucht.

Auf Anweisung eines Vertreters des Justizministeriums der ehemaligen DDR wurde die Antragstellerin für die Dauer vom 13. bis zum 23.12.1972 gegen ihren Willen in die Psychiatrie Leipzig-Dösen eingewiesen und dort psychiatrisch begutachtet.

Die Feststellungen des Gerichts beruhen auf den Angaben der Antragstellerin in ihrem Rehabilitierungsantrag vom 27.12.2001 sowie in ihrem „Antrag auf Ausreise aus dem Gebiet der DDR in die BRD” vom 12.11.1976, der in Kopie von der BStU zur Verfügung gestellt wurde. Unterlagen mit Angaben über die Hintergründe die diesen Maßnahmen zugrundelagen, bzw. Berichte über die Begutachtungen etc. konnten nicht ermittelt werden.

Die Antragstellerin beantragt ihre Rehabilitierung.

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz ist dem Antrag insoweit entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der zulässige Rehabilitierungsantrag ist nicht begründet.

Nach § 1 Abs. 1 StrRehaG findet eine Rehabilitierung statt, wenn Strafverfolgungsmaßnahmen eines deutschen Gerichts oder einer deutschen Strafverfolgungsbehörde in der Zeit vom 08.05.1945 bis 02.10.1990 mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind, insbesondere, weil sie der politischen Verfolgung der Antragsteller gedient haben. Sie können ferner aufgehoben werden, wenn die angeordneten Rechtsfolgen in grobem Mißverhältnis zu der zugrundeliegenden Tat stehen.

Das StrRehaG findet gem. § 2 StrRehaG auch außerhalb eines Strafverfahrens Anwendung, wenn mit einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, insbesondere wenn eine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat.

Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Denn es konnte nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden, dass die gegen die Antragstellerin getroffenen Maßnahmen politischer Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient haben.

Auf konkrete Beweggründe der einweisenden bzw. begutachtenden Stellen mag zwar anhand der Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Rehabilitierungsantrag, sie sei wegen kritischer Äußerungen in Bezug auf den Staat der DDR zu einem Aufhebungsvertrag hinsichtlich ihres Arbeitsverhältnisses als Richterin gezwungen worden und im Anschluß daran sei die erste Begutachtung am 21.11.1972 erfolgt, geschlußfolgert werden können. Jedoch muß nach dem Willen der Parteien des Einigungsvertrages gem. Art. 18 des Einigungsvertrages nach den Maßstäben des strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes eine Rechtsstaatswidrigkeit der Maßnahmen nachgewiesen werden. Anhand der vorliegenden Ausführungen der Antragstellerin und der zu diesen Vorgängen allein vorhandenen Unterlage „Antrag auf Ausreise aus dem Gebiet der DDR in die BRD” von der BStU gelingt dieser Nachweis nicht. Derartige Maßnahmen sind auch nach heutigem Recht zumindest denkbar.

Deshalb ist der Rehabilitierungsantrag als unbegründet zu verwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 1 StrRehaG. Es besteht keine Veranlassung, die notwendigen Auslagen des Antragstellers der Staatskasse aufzuerlegen (§ 14 Abs. 2 S. 2 StrRehaG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1603590

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