Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlungsverzug. Vertreten. ARGE

 

Leitsatz (amtlich)

Der im Leistungsbezug der ARGE stehende Mieter hat im Rahmen einer Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB den Zahlungsverzug nicht zu vertreten, wenn er alles ihm gegenüber dem Vermieter und der ARGE obliegende und zumutbare getan hat, eine pünktliche Zahlung durch Dienstleistung der ARGE zu erreichen.

 

Normenkette

ZPO § 91 a; BGB § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 286 Abs. 4, § 276 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Siegburg (Entscheidung vom 03.08.2011; Aktenzeichen 117 C 134/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 03.08.2011 - 117 C 134/11 - mit dem die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt wurden, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig aber unbegründet.

Das Amtsgericht hat zu Recht eine Entscheidung gemäß § 91a ZPO über die Kosten des Rechtsstreits getroffen, wonach die Kosten der Beklagten aufzuerlegen waren.

Es wird zunächst auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen, wobei diese sowie diejenigen des Nichtabhilfebeschlusses teilweise ergänzungsbedürftig bzw. zu korrigieren sind, wie nachfolgend auszuführen ist.

Dem Amtsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass die Frage des Verschuldens im engeren Sinne und die (zu verneinende) Frage, ob die ARGE Erfüllungsgehilfin des im Leistungsbezug der ARGE stehenden Mieters ist, im Rahmen einer Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB (vgl. hierzu BGH ZMR 2010, 277) für eine Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 S.1 Nr. 3 BGB (worum es hier geht) unerheblich ist, da die in Rede stehende Pflichtverletzung im Rahmen von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB (nur) den (Zahlungs-)Verzug mit den geschuldeten Mietzinsen betrifft, den der Mieter in der Regel schon deshalb zu vertreten hat, weil ihm bezüglich dieser Geldschuld ein Beschaffungsrisiko trifft (§ 276 Abs. 1 BGB).

Allerdings hat der im Leistungsbezug der ARGE stehende Mieter nach der Rechtsprechung der Kammer unter Berücksichtigung der genannten Entscheidung des BGH (auch wenn diese nur § 543 Abs. 1 BGB betrifft) trotz dieses Beschaffungsrisikos nicht jeglichen Verzug zu vertreten. Die Kammer hält insoweit an ihrer bereits im Beschluss vom 09.07.2010, 6 T 144/10, geäußerten Rechtsauffassung fest, die im Einklang mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur steht, wonach der Verzug trotz des bestehenden Beschaffungsrisikos ausnahmsweise nicht zu vertreten ist, wenn der Mieter objektiv und schuldlos an der Zahlung verhindert ist (vgl Schmidt-Futterer-Blank, 10. Auflage, § 543, Rn. 96 m.w.N.), auch wenn der Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB in der Regel die Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen nicht zulässt (BGH ZMR 1987, 289). Als Ausnahmefall wurden von der Rechtsprechung insoweit z.B. die Verhinderung des Mieters aufgrund einer plötzlichen Erkrankung und die rechtzeitige Erteilung eines Überweisungsauftrags bei Nichtausführung durch die Bank trotz Kontodeckung anerkannt. Die Kammer ist der Ansicht, dass diesen Fällen der Fall gleichzustellen ist, in dem der im Leistungsbezug der ARGE stehende Mieter alles ihm Obliegende und Zumutbare getan hat, um die ARGE zur pünktlichen Zahlung der geschuldeten Mietzinsen an den Mieter zu veranlassen (wobei zu diesen Obliegenheiten ggf. auch gehört, die Miete pünktlich an den Vermieter weiterzuleiten, soweit keine Direktzahlung an den Vermieter erfolgt, sondern die ARGE zuerst an den Mieter zahlt). Für diese Ansicht spricht auch im erheblichen Maße das verfassungsrechtlich verankerte Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG), da für den auf Sozialleistungen angewiesene Mieter nach der gesetzlichen Konzeption wirtschaftlich betrachtet, also jedenfalls im Ergebnis, die ARGE die Miete zu zahlen hat, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Der alleinige Verweis auf das Beschaffungsrisiko des § 276 Abs. 1 BGB, welcher auf das wirtschaftliche Risiko abstellt, greift daher bei der Prüfung, ob der im Leistungsbezug der ARGE stehende Mieter den Verzug zu vertreten hat, zu kurz. Demnach hat der Mieter (ausnahmsweise) den Verzug nicht zu vertreten, wenn er alles ihm - gegenüber dem Vermieter und der ARGE - Obliegende und Zumutbare getan hat, eine pünktliche Zahlung durch die Leistung der ARGE zu erreichen, diese aber gleichwohl, obwohl also alle Voraussetzungen für eine pünktliche Zahlung erfüllt waren, nicht pünktlich zahlt. Auf ein solches im Ergebnis objektiv falsches Verhalten der ARGE hätte der Mieter keinen eigenen Einfluss, weshalb er dann den Verzug mit der Mietzinszahlung trotz Beschaffungsrisikos nicht zu vertreten hat. Dabei ist unerheblich, ob vereinbart wurde oder dies der praktischen Übung entspricht, dass die ARGE an den Vermieter direkt die Mietzinsen zahlt oder vielmehr (erst) an den Mieter zahlt und der Mieter dann ...

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