Verfahrensgang

AG Siegburg (Entscheidung vom 22.10.2009; Aktenzeichen 113 C 163/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 30.10.2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 22.10.2009, durch den dem Beklagten die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Widerklage versagt worden ist, wird der angefochtene Beschluss abgeändert:

Dem Beklagten wird für die Widerklage gemäß Schriftsatz vom 14.08.2009 mit Wirkung vom 17.08.2009 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm insoweit zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte in erster Instanz Rechtsanwalt C in U beigeordnet.

 

Gründe

I.

Mit der beabsichtigten Widerklage begehrt der Beklagte Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 800,00 € wegen Beleidigung (Vorfall vom 23.05.2008). Insoweit ist unstreitig dass der Kläger -Vermieter- den Beklagten -Mieter- öffentlich vor dem Mietobjekt als "Arschloch", "Wichser" und "Hausbesetzer" bezeichnet hat.

Der Kläger behauptet, die Äußerungen seien im Rahmen einer Auseinandersetzung gefallen, in der zunächst der Beklagte ihn beleidigt habe. Auch messe der Beklagte mit zweierlei Maß, weil er sich selbst das Recht nehme, Mitmieter erheblich zu beleidigen.

Das Amtsgericht hat die nachgesuchte Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt. Die Beleidigungen seien nicht so schwerwiegend, dass ein Schmerzensgeld gerechtfertigt sei.

Die Bezeichnungen seien zwar missbilligend und unflätig, jedoch nicht zwischen unbekannten Personen gefallen. Zwischen den Parteien haben schon seit längerem Streit bestanden, die Äußerungen seien in der Erregung nach Beendigung der gerichtlichen Auseinandersetzung gefallen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, der weiterhin Prozesskostenhilfe für die Widerklage begehrt. Er hält die Beleidigungen für hinreichend schwerwiegend und auch nachhaltig.

Der Kläger tritt der sofortigen Beschwerde entgegen.

II.

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der beabsichtigten Widerklage kann jedenfalls nicht schon im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht abgesprochen werden.

Bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt grundsätzlich ein Schmerzensgeldanspruch aus § 823 BGB i.V. mit Art. 1 I und 2 11 GG in Betracht.

Die Beleidigungen sind unstreitig öffentlich -nämlich vor dem Mietobjekt- ausgesprochen worden. Die Beleidigungen sind auch schwerwiegend, weil unflätig, nämlich "Arschloch" und "Wichser", und in besonderer Weise verunglimpfend und herabsetzend, nämlich "Hausbesetzer", ein Begriff, der geeignet ist, den Beklagten der Wahrheit zuwider in die Nähe strafrechtlich relevanten Verhaltens zu rücken, wozu keinerlei Veranlassung bestand, da er Mieter war.

Die Nachhaltigkeit durch weitere ähnliche Beleidigungen in den folgenden Tagen durch Anrufe auf dem Handy ist hinreichend dargetan.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, es seien diese Beleidigungen sozusagen als Antwort auf vorangegangene Beleidigungen durch den Beklagten in einem Streit gefallen, weil dies bestritten ist und der Kläger für seine Darstellung Beweis nicht angetreten hat.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, es habe eine erregte Situation bestanden, weil zuvor die gerichtliche Auseinandersetzung gerade beendet worden sei. Die Parteien haben an jenem Tage einen Gerichtstermin gehabt, in dem sie ihren Streit durch Vergleich beigelegt haben; daraus lässt sich keine Rechtfertigung oder Entschuldigung bezüglich der danach vor dem Mietobjekt -nicht etwa noch im Gericht - erfolgten Beleidigungen ableiten.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, der Beklagte messe mit zweierlei Maß, weil er seinerseits Mitmieter beleidige, was Gegenstand des durch Vergleich vom 23.05.2008 beendeten Räumungsrechtsstreits war. Der Umstand, dass der Beklagte sich beleidigend gegenüber einem Mitmieter verhalten haben mag, kann nicht als Erklärung für Beleidigungen des Beklagten durch den Vermieter herangezogen werden.

Auch zur Höhe eines in Betracht kommenden Schmerzensgeldes sind Einschränkungen der zu gewährenden Prozesskostenhilfe im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht veranlasst.

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 127 Abs. 4 ZPO, Nr. 1812 KV-GKG).

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO nicht erfüllt sind.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3027957

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