Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Festsetzung von Rechtsanwaltskosten durch die Bußgeldbehörde nach § 106 OWiG ist die Frage, ob der die Festsetzung beantragende Betroffene seinem Rechtsanwalt im Innenverhältnis eine Rechtsanwaltsvergütung dem Grunde nach überhaupt schuldet, nicht zu prüfen, wenn es sich dabei um eine rechtlich und/oder tatsächlich schwierige Frage handelt.

2. Wird ein Rechtsanwalt in mehreren gleichartigen Bußgeldverfahren für einen Betroffenen tätig, so handelt es bei jedem Verfahren um eine gesonderte gebührenrechtliche Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, so dass in jedem Verfahren Gebühren und Auslaugenpauschale gesondert entstehen. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt jeweils nur ein einziges Schreiben verfasst, in dem er auf alle Verfahren einheitlich Bezug nimmt.

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Entscheidung vom 02.08.2011; Aktenzeichen 80 OWi 41/11 (b))

 

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 02.08.2011 wird aufgehoben.

Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird der Bescheid der Bundesstadt Bonn vom 11.05.2011 dahin abgeändert, dass dem Betroffenen notwendige Auslagen in Höhe von insgesamt

2.820,30 Euro

zu erstatten sind.

Die dem Betroffenen durch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Bundesstadt Bonn, die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen die Landeskasse.

 

Gründe

I.

Der Betroffene steht unter rechtlicher Betreuung. Er bzw. sein Betreuer, Rechtsanwalt K, begehren die Festsetzung von Rechtsanwaltskosten aufgrund von zwölf Bußgeldverfahren, welche die Bundesstadt Bonn, die Antragsgegnerin, gegen den Betroffenen geführt hat.

Rechtsanwalt K ist seit dem 17.07.2009 mit den Aufgabenkreisen Vermögensangelegenheiten, Renten- und Unterhaltsforderungen, Wohnungsangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge und Befugnis zum Empfang von Post zum rechtlichen Betreuer des Betroffenen bestellt. Mit Schriftsatz vom 24.07.2009 legitimierte er sich gegenüber der Antragsgegnerin unter Vorlage des Bestellungsbeschlusses und legte "aus Gründen äußerster anwaltlicher Vorsorge" gegen zwölf gegen den Betroffenen ergangene Bußgeldbescheide der Antragsgegnerin Einspruch ein. Zur Begründung wies er auf den Gesundheitszustand des Betroffenen hin. Dieser sei seit langem derart schwer alkoholabhängig, dass er krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, sich gegen die Bußgeldvorwürfe adäquat zu verteidigen.

Dieser Schriftsatz und alle weiteren an die Antragsgegnerin gerichteten Schriftsätze von Rechtsanwalt K wiesen jeweils die Aktenzeichen aller Bußgeldverfahren auf. Es wurde dabei jeweils nur ein einheitlicher Schriftsatz verfasst. Jeweils in Fettdruck und unterstrichen war als Betreff "Betreuungssache Franz S." genannt. Auf der rechten Seite stehen untereinander - ebenfalls fettgedruckt und unterstrichen - die Wörter "Wichtig" und "Betreuungsverfahren". Die Schriftsätze wurden auf dem Briefbogen verfasst, welche Rechtsanwalt K auch ansonsten für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt verwendet.

Nach Vorlage eines ärztlichen Attestes, welches dem Betroffenen schwere Hirnleistungsdefizite resultierend aus einem langjährigen schweren Alkoholmissbrauch bescheinigte, nahm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 06.05.2010 alle Bußgeldbescheide zurück und stellte die Verfahren gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a StPO wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung ein.

Mit Schriftsatz vom 23.03.2011 hat Rechtsanwalt K gegenüber der Antragsgegnerin beantragt,

Rechtsanwaltskosten aus seiner Verfahrensvertretung in Höhe von insgesamt 2.820,30 Euro festzusetzen und zu erstatten. Seine Vergütung hat er auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG - unter Ansatz von hälftigen Mittelgebühren wie folgt berechnet:

Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG:

42,50 Euro x 12

510,00 Euro

Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV RVG:

67,50 Euro x 12

810,00 Euro

Erledigungsgebühr, Nr. 5115 VV RVG:

67,50 Euro x 12

810,00 Euro

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG:

20 Euro x 12

240,00 Euro

Zwischensumme (netto):

2.370,00 Euro

19% USt, Nr. 7800 VV RVG

450,30 Euro

Gebühren und Auslagen insgesamt (brutto):

2.820,30 Euro

Mit Bescheid vom 11.05.2011 entschied die Antragsgegnerin, dass "die Kosten" von ihrer Stadtkasse zu tragen sind. Dabei nahm sie Bezug auf § 105 OwiG i.V.m. § 467a der Strafprozessordnung.

Im gleichen Bescheid setzte sie unter Zurückweisung des weitergehenden Kostenfestsetzungsantrages die zu erstattenden Auslagen wie folgt fest:

Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG

85,00 Euro

Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV RVG

135,00 Euro

Erledigungsgebühr, Nr. 5115 VV RVG

135,00 Euro

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 Euro

Zwischensumme (netto):

375,00 Euro

19% USt, Nr. 7800 VV RVG

71,25 Euro

Gebühren und Auslagen insgesamt (brutto):

446,25 Euro

Der Vergütungsberechnung legte sie zugrunde, dass es sich bei der Vertretung in den Bußgeldverfahren lediglich um eine einheitliche Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG gehandelt habe. Zur Begründung führte sie aus...

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