Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 08.11.2021; Aktenzeichen 7 C 84/21)

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 20.09.2021; Aktenzeichen 7 C 84/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Teilurteil des Amtsgerichts Kreuzberg vom 20.09.2021, Az. 7 C 84/21, aufgehoben; die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das Schlussurteil des Amtsgerichts Kreuzberg vom 08.11.2021, Az. 7 C 84/21, aufgehoben; die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage wird abgewiesen.

3. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

I.

Die Beklagten zu 1 und 2 sind Mieter einer im Eigentum der Kläger stehenden Wohnung; sie sind auf der Grundlage einer Eigenbedarfskündigung vom Amtsgericht (als Gesamtschuldner) zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt worden, und zwar durch Teilurteil vom 20.9.2021 (betreffend die Beklagte zu 1), sowie durch Schlussurteil vom 8.11.2021 (betreffend den Beklagten zu 2). Mit dem Schlussurteil sind den Beklagten auch gesamtschuldnerisch die Kosten auferlegt worden.

Gegen beide Urteile haben die Beklagten jeweils eigenständig Berufung eingelegt; das Verfahren über das Rechtsmittel des Beklagten zu 2 (zunächst anhängig zum Aktenzeichen 66 S 305/21) ist durch Kammerbeschluss vom 28.12.2021 nach § 147 ZPO zu dem zuvor eingegangenen Verfahren über das Rechtsmittel der Beklagten zu 1 (welches seither führt) verbunden worden.

Anstelle des Tatbestandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in den vorgenannten Urteilen des Amtsgerichts Bezug genommen. Ergänzungen sind nach Maßgabe der §§ 313a Abs. 1 Satz1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO lediglich wie folgt veranlasst:

Die Kammer hat die folgenden Grundakten beigezogen und zum Gegenstand der Berufungsverhandlung gemacht:

44

Grundbuch

von

Blatt

44

Grundbuch

von

Blatt

42

Grundbuch

von

Blatt

Wegen der Inhalte der beigezogenen Grundbücher wird auf die Gerichtsakte verwiesen, insbesondere auf die an die Parteien gerichtete Verfügung vom 14.4.2022, auf die Inhalte der Protokolle über die Berufungsverhandlung sowie auf den Beschluss der Kammer vom 22.6.2022.

Die Beklagten halten die Eigenbedarfskündigung weiterhin für unwirksam und begehren unverändert die Abweisung der Klage.

Die Kläger verteidigen die angefochtenen Urteile des Amtsgerichts und beantragen die Zurückweisung der Berufung.

 

Entscheidungsgründe

II.

Beide Berufungen der Beklagten sind jeweils gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden. Beide Rechtsmittel haben auch in der Sache Erfolg.

Zu Unrecht ist das Amtsgericht zur Verurteilung der Beklagten auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gelangt. Die dafür von den Klägern angeführte Kündigung wegen Eigenbedarfs wurde mit Schreiben vom 28.7.2020 erklärt und am 4.8.2020 zugestellt; diese Kündigung ist bereits deshalb unwirksam, weil sie vor Ablauf einer zu Gunsten der Beklagten zu 1 und 2 aus § 577 a BGB resultierenden Wartefrist erklärt worden ist.

1.

Die Grundlagen des streitgegenständlichen Wohnraummietverhältnisses werden von den Parteien des Rechtsstreits nicht infrage gestellt. Die Beklagte zu 1 hat mit einer Rechtsvorgängerin der Kläger am 9.11.2005 einen schriftlichen Mietvertrag über die Wohnung geschlossen. Ein ursprünglicher Mitmieter ist aus dem Mietverhältnis ausgeschieden; stattdessen bewohnt der Beklagte zu 2 als Lebenspartner gemeinsam mit der Beklagten zu 1 die Wohnung. In das laufende Wohnraummietverhältnis sind die Kläger als neue Vermieter infolge des Erwerbs der Eigentumswohnung eingetreten. Dies alles ist zwischen den Parteien nicht streitig.

2.

Das Amtsgericht hat den von den Klägern geltend gemachten Eigenbedarf inhaltlich geprüft und als begründet erachtet; formelle Wirksamkeitshindernisse gegen die streitgegenständliche Kündigung (insbesondere den Verstoß gegen § 577 a BGB) hat das Amtsgericht dabei als Vorfrage zwar geprüft, aber zu Unrecht verneint.

Das Amtsgericht meint, dass die vorliegend unstreitig 10 Jahre dauernde Sperrfrist gegenüber den Beklagten bereits am 03.02.2019 (mithin vor der Eigenbedarfskündigung) abgelaufen sei. Die Sperrfrist habe nämlich am 03.02.2009 zu laufen begonnen, weil an diesem Tag die … GmbH nach einer 2008 (von einer GbR als Eigentümerin) erklärten Teilung gemäß § 8 WEG als (neue) Eigentümerin der Wohnung im Grundbuch von … Blatt … eingetragen worden sei. Auf diesen ersten nach der Umwandlung in Wohnungseigentum erfolgenden Erwerb sei für den Fristbeginn nach § 577 a BGB abzustellen; auf einen später nachfolgenden (weiteren) Erwerbsvorgang für die Wohnung komme es nicht an.

Dabei übersieht das Amtsgericht (und mit ihm die Argumentation der Kläger in der Berufungsinstanz), dass Veräußerungsvorgänge im Rahmen von § 577 a BGB nur für den Vermögensgegenstand rechtserheblich sind, auf den sie sich konkret auch bezogen haben. Für die heute str...

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