Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 14.01.2020; Aktenzeichen 225 C 57/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Januar 2020 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 225 C 57/19 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auch für den Berufungsrechtszug auf 8.825,16 EUR (12 × 735,43 EUR) festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen, das den Beklagten am 24. Januar 2020 zugestellt worden ist. Mit der am 21. Februar 2020 eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. April 2020 an diesem Tag begründeten Berufung wehren die Beklagten sich gegen ihre Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der Wohnung.

Die Klägerin zu 2. ist seit dem 21. Januar 2019 alleinige Eigentümerin des Anwesens; der Kläger zu 1. hat ihr seine Eigentumsanteile mit Vertrag vom Dezember 2018 geschenkt. Die Klägerin zu 2. hat, vertreten durch den Hausverwalter, mit Schreiben vom 7. Mai 2020 (vgl. Bl. II/172 f. d. A.) die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärt, nachdem die Miete für April und Mai 2020 nicht bezahlt worden war. Die Beklagte zu 1. hat mit Antrag vom 10. Februar 2020 für den Zeitraum ab März 2020 Arbeitslosengeld II beantragt; dem Antrag ist mit Bescheid vom 28. Mai 2020 statt gegeben worden. Die rückständige Miete für April und Mai 2020 hat die Beklagte zu 1. am 15. Juli 2020 bezahlt.

Die Beklagten tragen weiterhin vor, das Räumungsverlangen sei rechtsmissbräuchlich, denn die Kläger machten für ihre Tochter und Enkelin einen weit überhöhten Wohnbedarf geltend. Die gerade 19jährige Bedarfsperson benötige objektiv keine Vierzimmerwohnung mit einer Wohnfläche von knapp 120 m²; die Erwägung des Amtsgerichts, dass die Wohnfläche von 120 m² sich auch für die beiden Beklagten als großzügig darstelle, sei verfehlt, da es sich um die ehemalige Familienwohnung handele, die die Beklagte zusammen mit ihrem 2014 verstorbenen Ehemann angemietet habe. Das Interesse der Kläger richte sich vor allem darauf, das ihnen missliebige Mietverhältnis mit der Beklagten zu beenden; zwischen den Parteien sei eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten geführt worden und die Beklagte zahle eine verhältnismäßig geringe Miete. Die Eigenbedarfsgründe hätten bereits im Juli 2017 vorgelegen, als die Bedarfsperson ihre Schulzeit beendet und die Kläger eine Wohnung im 4. OG neu vermietet hätten. Hilfsweise sei das Mietverhältnis unbefristet fortzusetzen, da seine Beendung für die Beklagten eine nicht zu rechtfertigende Härte darstelle. Soweit die im ersten Rechtszug eingeholten Sachverständigengutachten zu einem abweichenden Ergebnis kämen, seien diese nicht verwertbar; der gerichtlich bestellte Sachverständige habe die maßgeblichen Feststellungen nicht selbst getroffen, sondern die Exploration und – notwendig persönliche – Untersuchung der Beklagten einer Hilfsperson überlassen. Die Kündigung wegen Zahlungsverzugs sei nach Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unwirksam, denn der Zahlungsverzug sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte zu 1. im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit pandemiebedingt keinerlei Umsätze habe erzielen können.

Die Beklagten beantragen,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück zu verweisen,

weiter hilfsweise,

die zuletzt mit Beschluss vom 8. September 2020 verlängerte Räumungsfrist nochmals angemessen zu verlängern.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen

und regen hilfsweise an, die Revision zuzulassen.

Sie tragen vor, der geltend gemachte Eigenbedarf rechtfertige die Beendung des Mietverhältnisses. Zwar würde die Tochter und Enkelin der Kläger tatsächlich keine Vierzimmerwohnung benötigen, doch verfügten die Kläger über keine kleinere Wohnung. Es handele sich um die kleinste Wohnung im Haus, die zudem noch unsaniert sei und daher den geringsten Mietertrag bringe. Kleinere Wohnungen gebe es nur im Erdgeschoss des Anwesens; eine Wohnung im Erdgeschoss hielten die Kläger aber für eine junge Frau für zu gefährlich. Ohnehin wolle ihre Tochter und Enkelin inzwischen zusammen mit ihrem Freund in die Wohnung einziehen; mittelfristig sei dann Nachwuchs zu erwarten.

Die Kammer hat erneut die Zeugin … gehört; wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. Dezember 2020 (vgl. Bl. III/75 ff. d. A.) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere sta...

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