Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete: Kein Wohnungsmangel im Jahre 1994 in West-Berlin. Wohnraummiete: Elternbürgschaft und Anfangsrenovierungspflicht kein Indiz für Mangellage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Indizwirkung einer Mangellage aus den Verordnungen zur Zweckentfremdung und zum Sozialklauselgesetz wird durch ein Gutachten erschüttert, wonach 1994 in West-Berlin ein merklicher Angebotsüberhang an Wohnraum bestand.

2. Aus dem bloßen Umstand, daß der Mieter eine Elternbürgschaft beibringen und die Anfangsrenovierung übernehmen mußte, ergibt sicht nichts anderes, wenn Einzelheiten der Wohnungssuche nicht geschildert werden.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18. Dezember 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte und auch im übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Rückzahlung von Mietzins gemäß § 812 Abs. 1 BGB, denn er hat den Mietzins mit Rechtsgrund geleistet. Die Mietzinsvereinbarung vom 12. August 1994 ist nicht gemäß §§ 134 BGB, 5 WiStG teilnichtig. Die Kläger haben nicht darlegen können, dass im Zeitpunkt des Abschlusses der Mietzinsvereinbarung ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen bestand ("Mangellage").

Der nach § 5 WiStG, §§ 812, 134 BGB auf Rückzahlung überzahlten Mietzinses klagende Mieter ist für das Vorliegen sämtlicher, die unzulässige Überhöhung des Mietzinses begründender Tatbestandsmerkmale darlegungs- und beweispflichtig (vgl. LG Berlin, ZK 61, GE 1998, 1341). Dies gilt auch für das Vorliegen einer Mangellage im Sinne des § 5 Abs. 2 WiStG bei Abschluss der Mietzinsvereinbarung.

Nach der Rechtsprechung der Kammer wird allerdings die Mangellage durch die Geltung einer Zweckentfremdungsverbotsverordnung und einer Verordnung nach dem Sozialklauselgesetz indiziert. Es handelt sich hierbei nicht um eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast; denn die Einschätzung des Verordnungsgebers, dass eine Gefährdung der Wohnraumversorgung vorliegt, stimmt nicht notwendig mit der tatsächlichen Lage am Wohnungsmarkt überein. Deshalb kann der Vermieter die Indizwirkung erschüttern, indem er Tatsachen vorträgt, nach denen trotz der Geltung solcher Verordnungen an dem Vorliegen eines geringen Wohnungsangebots ernsthafte Zweifel bestehen können (LG Berlin, a.a.O). Gelingt ihm dies, muss der Mieter durch weiteren Vortrag die Mangellage darlegen.

Dem Beklagten ist es gelungen, die Indizwirkung der Verordnungen zu erschüttern, indem er - bereits erstinstanzlich - das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen in den Prozeß einführte, wonach im Jahr 1994 "sowohl bezogen auf Berlin-West als auch auf Berlin-Schöneberg ein merklicher Angebotsüberhang an Wohnraum" bestand. Für den Wohnungsmarkt in West-Berlin gilt nach dem Gutachten, dass unter Berücksichtigung der Nachfrageentwicklung (Bevölkerungswanderung, Sterbeüberschuß) und der Angebotsentwicklung (stetige Erhöhung des Wohnungsbestandes) im Jahr 1994 ein Angebotsüberhang von 110,92 % zu verzeichnen ist.

Angesichts dieser gutachtlichen Feststellungen, die von den Klägern in der Sache nicht angegriffen wurden, vermag die Geltung der bereits genannten Verordnungen die Kammer nicht davon zu überzeugen, dass im Jahr 1994 eine Mangellage vorlag. Soweit die Kläger einwenden, dass das Gutachten keine Aussage über den Teilmarkt der Drei-Zimmer-Altbauwohnungen mit einer Wohnfläche von 90 Quadratmetern im Innenstadtbereich Berlins treffe, ist dies nicht zutreffend. Denn das Gutachten untersucht die Marktlage in Bezug auf Wohnungen, die einer Westberliner Wohnung mit drei Zimmern und 82 qm Wohnfläche vergleichbar sind. Ausdrücklich bezieht das Gutachten Wohnungen im Ostteil Berlins wegen der Ausstattungs- und Infrastrukturunterschiede nicht ein. Die Vergleichswohnungen, die zur Grundlage der gutachtlichen Erhebung gemacht worden sind, sind daher auch der streitgegenständlichen Wohnung nach Lage, Größe und Ausstattung vergleichbar.

Zwar trifft es zu, dass das Gutachten keine Differenzierungen danach trifft, ob es sich bei den Vergleichsobjekten um Altbauten oder Neubauten handelt. Fraglich ist aber bereits, ob eine solche Unterscheidung notwendig ist. Denn ein Merkmal "Baujahr" wird in § 5 Abs. 2 WiStG nicht erwähnt. Selbst wenn aber das Baujahr dem Merkmal "Beschaffenheit" zuzuordnen ist und in diesem Punkt die Vergleichbarkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 WiStG nicht gegeben sein sollte, bliebe es dabei, dass durch das Gutachten die Indizwirkung der Verordnungen jedenfalls erschüttert wird. Denn auch die nur annähernde Vergleichbarkeit vermag die Indizwirkung zu erschüttern; die Forderung nach vollständiger Vergleichbarkeit liefe darauf hinaus, bei Geltu...

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