Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete: Wegfall der Kündigungsbeschränkung wegen Wohnraumunterversorgung in Berlin. Wohnraummiete: kein Eingreifen der Sperrfristen bei Alleineigentumserwerb eines Miteigentümers. Wohnraummiete: Widerklage auf Vertragsfortsetzung im Räumungsprozeß

 

Orientierungssatz

1. Nach Außerkrafttreten der Zweckentfremdungsverbotsverordnung am 1. September 2000 sind die Sonderfristen für die Kündigung nach § 564b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 BGB bzw. nach dem Sozialklauselgesetz wegen Unterversorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen auf dem Wohnungsmarkt in Berlin nicht mehr maßgeblich.

2. Die Sperrfristen des § 564b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 BGB sowie des Sozialklauselgesetzes greifen nicht ein, wenn einer von mehreren Miteigentümern Alleineigentümer wird.

3. Der Mieter ist berechtigt, gegenüber der Räumungsklage unter Berufung auf den Härteeinwand Widerklage mit dem Ziel zu erheben, die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen. Obwohl das Gericht von Amts wegen über die Fortsetzung des Mietverhältnisses entscheiden kann (§ 308a Abs. 1 ZPO), fehlt einer derartigen Widerklage nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. März 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg - 206 C 536/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 2000 Euro abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

3. Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 29. Februar 2004 bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Eltern der Beklagten mieteten durch Mietvertrag vom 15. Oktober 1968 von dem damaligen Eigentümer des Grundstücks, ... die in B, im 3. Obergeschoss des Hauses ... gelegene Wohnung, bestehend aus 4 Zimmern, einer Kammer, einer Küche, einem Korridor und einer Toilette mit Bad, deren Größe mit 143,70 qm vereinbart ist. Die am 5. April 1942 geborene Beklagte, von Beruf Ärztin, trat in den Mietvertrag als Erbin ihrer Eltern ein. Der Kläger zu 1) wurde im Laufe des Jahres 1983 Miteigentümer des Grundstücks zu einem Viertel. In der Folgezeit teilten er und die weiteren Miteigentümer- ... das Grundstück in Wohnungseigentum dergestalt auf, dass mit jedem Miteigentumsanteil an dem Grundstück das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung verbunden wurde. Die Wohnungsgrundbücher wurden am 23. Februar 1984 angelegt. Der Kläger zu 2) wurde am 5. Mai 1989 als Eigentümer der Wohnung Nr.29 eingetragen, zu der der Kellerraum Nr.29 gehört. Der Kläger zu 1) wurde aufgrund der Auflassung vom 25. November 1994 am 6. Februar 1997 als Alleineigentümer der Wohnung Nr.20 eingetragen. Dabei handelt es sich um die von der Beklagten gemietete Wohnung. Der Kläger zu 1) kündigte das Mietverhältnis gegenüber der Beklagten am 25. März 1997. Er wurde aber mit seiner Räumungsklage rechtskräftig abgewiesen, weil das Berufungsgericht die Ansicht vertreten hatte, zum Mietobjekt gehörten die Wohnung Nr.20 und der von der Mutter der Beklagten genutzte Kellerraum Nr.29. Es hätten daher beide Eigentümer kündigen müssen. Rechtsanwalt ... kündigte nunmehr das Mietverhältnis durch schriftliche Erklärung vom 22. September 2000 zum Ablauf des 30. September 2001, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin, und zwar namens beider Kläger. Diese der Beklagten durch Aufgabe zur Post am 27. September 2000 zugestellte Kündigung ist auf den Eigenbedarf des Klägers zu 1) gestützt. In diesem Zusammenhang wird u.a. ausgeführt, dass der Kläger mit seiner Ehefrau und seiner 1979 geborenen Tochter ... von der bisher bewohnten Zweizimmerwohnung in Kleinmachnow in die Wohnung der Beklagten umziehen wolle. Wegen der geringen Größe, der Entfernung zwischen der gegenwärtigen Wohnung und der Arbeitsstätte sowie auch aus Kostengründen verbiete sich ein Verbleiben in der bisherigen Wohnung. Wegen der 1974 geborenen Tochter ... die gelegentlich zu Besuch komme, und anderer Besucher benötige man ein Gästezimmer. Wegen des genauen Wortlauts des Schreibens wird auf Bl.11 bis 13 der Akten verwiesen. Die Beklagte widersprach der Kündigung mit dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 5. Juli 2001. Der Kläger ist mittlerweile mit Ehefrau und Tochter ... in eine in Berlin, ... gelegene Viereinhalb-Zimmer-Wohnung ... umgezogen.

Die Kläger haben Räumungsklage erhoben. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hilfsweise beantragt, die Kläger zur unbefristeten Fortsetzung des Mietverhältnisses über die Streiträume incl. Kellerraum Nr.29 zu verurteilen.

Das Amtsgericht hat, nachdem es die Zeuginnen ... - Ehefrau und Tochter des Klägers zu 1) - gemäß dem Beschluss vom 12. Februar 2002 (siehe Bl.74 d.A) vernommen hat, der Räumungsklage stattgegeben und der Beklagten eine Räumungsfrist bis 31. Mai 2002 gewährt. Es hat ausgeführt, der Kündigung stehe die zehnjährige Sperrfrist des § 564b Abs.2 BGB a.F. nicht entgegen, weil die Beklagte bereits seit 1984 mit einer Eigenbe...

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