Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfändbarkeit von Wohngeld. Wegen § 850 e Nr. 2 a ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Wohngeld ist wie Arbeitseinkommen pfändbar und eine Zusammenrechnung daher gemäß § 850 e Nr. 2 a ZPO zulässig.

 

Normenkette

ZPO § 850e Nr. 2a; SGB I § 54 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Augsburg (Entscheidung vom 16.07.1996)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts – Vollstreckungsgericht – Augsburg vom 16.7.1996 insoweit aufgehoben, als der Antrag der Gläubigerin, die Pfändungsmaßnahme mit dem dem Schuldner gezahlten Wohngeld zusammenzurechnen, abgelehnt wurde.

2. Insoweit wird angeordnet:

Die angebliche Forderung des Schuldners gegenüber dem Drittschuldner zu 1. (Arbeitsamt Augsburg) wird mit dem dem Schuldner gezahlten Wohngeld – derzeit monatlich 112,00 DM – zusammengerechnet.

Für die Pfändung und Zusammenrechnung gilt die Beschränkung der §§ 850 a, c und 850 e Nr. 2 a Satz 2 ZPO.

3. Der Beschwerdewert beträgt 1.344,00 DM.

 

Gründe

I.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts 13343 Berlin vom 22.3.1988 (28 B 587/88) und dem Kostenfestsetzungsbeschluß wegen einer Hauptforderung von 4.760,81 DM zuzüglich Zinsen und Kosten (Gesamtbetrag: 9.463,64 DM).

Auf Antrag der Gläubigerin erließ das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – Augsburg am 16.7.1996 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, mit welchem die angeblichen Ansprüche, die im einzelnen bezeichnet sind, gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen werden.

Die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegenüber dem Drittschuldner zu 1. wurden wie folgt bezeichnet: Ansprüche auf Auszahlung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe sowie Unterhaltsgeld für Fortbildung und Umschulung und Übergangsgeld für Teilnahme an einer beruflichen Maßnahme.

Über den Antrag der Gläubigerin vom 3.6.96, die Zusammenrechnung mit dem dem Schuldner gezahlten Wohngeld von derzeit monatlich 112,00 DM anzuordnen, wurde wie folgt entschieden: „Das Wohngeld kann nicht in die Zusammenrechnung mit einbezogen werden, da es nicht im Zusammenhang mit einem Miet- oder Wohnraumnutzungsverhältnis steht, vgl. Stöber, 11. Aufl., Rdnr. 1157”.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wurde der Gläubigerin am 19.7.1996 zugestellt. Diese legte hiergegen Erinnerung ein – eingegangen bei Gericht am 26.7.1996 –. Sie führte aus, daß nach der Gesetzesänderung des Jahres 1994 nunmehr die Zusammenrechnung ohne weiteres möglich sei. Wohngeld sei nunmehr uneingeschränkt wie Arbeitseinkommen pfändbar.

Der Vollstreckungsrichter hat der befristeten Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die nach Nichtabhilfe durch den Vollstreckungsrichter als sofortige Beschwerde zu behandelnde befristete Erinnerung ist zulässig (§§ 793 Abs. 1 ZPO, 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 4, 5 RPflG) und auch sachlich begründet.

Nach § 850 e Nr. 2 a ZPO können mit Arbeitseinkommen auf Antrag auch Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zusammengerechnet werden, soweit diese der Pfändung unterworfen sind.

Es werden unterschiedliche Meinungen vertreten, ob dies hinsichtlich des Wohngeldes der Fall ist oder nicht.

a) Stöber (Forderungspfändung, 11. Aufl.) vertritt die Meinung, daß dies nicht der Fall sein dürfte. Zwar unterliege Wohngeld keiner Zweckbindung. Der Förderungszweck des Wohngeldes als Leistung zur Deckung der mit Aufwendungen für Wohnraum vorhandenen besonderen Belastung gebiete jedoch Schutz vor Gläubigerzugriff. Vollstreckungsrechtlich müsse diese Zweckbestimmung einer Zweckbindung gleich gewertet werden (vgl. Stöber, Rdnr. 1157). Riedel (NJW 1994, 2812 f.) hält das Wohngeld als zweckgebundene Leistung nur für beschränkt pfändbar. Hornung (Rpfleger 1994, 442/445) hält Wohngeld für beschränkt pfändbar, da es sich um eine zweckgebundene laufende Sozialgeldleistung handle.

b) Behr (JurBüro 1996, 234 ff.) hält hingegen eine Zusammenrechnung mit Wohngeld für zulässig. Behr begründet dies insbesondere mit der Rechtslage nach Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 1.3.6.1994 (BGBl. I 1229). Der Wille des Gesetzgebers spreche eindeutig für die uneingeschränkte Pfändbarkeit. Wohngeld falle, obwohl eine zweckbestimmte Sozialleistung vorliege, nicht unter die unpfändbaren Forderungen des § 54 Abs. 3 SGB I. Die nach altem Recht vorgesehene Billigkeitsprüfung sei aufgehoben worden und entfalle damit künftig. Nach § 54 Abs. 4 SGB I können laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Dies gelte nunmehr für Wohngeld. Eine Unpfändbarkeit gemäß §§ 851 ZPO, 399 BGB komme ebenfalls nicht in Betracht, da keine Zweckbindung bestehe.

Nach Ansicht der Kammer ist Wohngeld wie Arbeitseinkommen pfändbar und eine Zusammenrechnung daher gemäß § 850 e Nr. 2 a ZPO zulässig.

In § 54 Abs. 4 SGB I ist bestimmt, daß laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können. Unter diese Bestimmung fällt auch das Wohngeld, da ein Fall des § 54 Abs. 3 SGB I nicht vorliegt (auch...

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