Die Haftungsnormen im Verkehrsrecht sind vielfältig und es wird regelmäßig in Gefährdungs- und Verschuldenshaftung unterschieden.

2.5.1 Gefährdungshaftung

Gefährdungshaftung bedeutet, dass allein aus dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs eine Verantwortlichkeit für eine Schadensverursachung resultiert. Nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Halter eines Fahrzeugs zum Schadensersatz verpflichtet, wenn bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. In diesem Fall ist eine Ersatzpflicht nach § 7 Abs. 2 StVG nur dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde.

 
Hinweis

Betriebsgefahr

Die sog. Betriebsgefahr wird mit einem Haftungsanteil von 20 bis 25 % bewertet, wobei es für die Höhe der Betriebsgefahr im Fall einer Bewegung des Fahrzeugs immer auf die jeweilige Art des Fahrzeugs (Pkw, Lkw, Sonderfahrzeug) ankommt. Die Betriebsgefahr tritt in der Regel aber zurück, wenn den Unfallgegner ein erheblicher Verursachungsbeitrag bzw. eine eklatante Pflichtverletzung trifft.

2.5.2 Verschuldenshaftung

Die meisten Haftungsnormen im Straßenverkehrsrecht sind wie im allgemeinen Zivilrecht auch an ein Verschulden geknüpft. Im Rahmen von § 17 Abs. 1 und 2 StVG ist bei einer Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge für eine Haftung der jeweiligen Fahrzeughalter untereinander von Bedeutung, inwieweit der Schaden überwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach § 17 Abs. 3 StVG ist diese Verpflichtung zum Schadensersatz nur dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Zur Konkretisierung heißt es im Gesetzestext, dass ein unabwendbares Ereignis schon dann vorliegt, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat.

 
Hinweis

Idealfahrer

Die Rede ist hier im Straßenverkehrsrecht von dem sog. Idealfahrer. Nur wer sich wie ein Idealfahrer verhält, kann auch damit rechnen, dass ihn unter Umständen kein Mitverschulden am Verkehrsunfall trifft. In diesem Fall ist ihm auch keine Betriebsgefahr anzurechnen.

Wenn beiden Kraftfahrzeugführern jeweils Verstöße z. B. gegen die Straßenverkehrsordnung vorgeworfen werden können, so kommt es im Einzelfall auf den konkreten Verstoß an. So sind in der Straßenverkehrsordnung Verhaltensrichtlinien eines Kraftfahrzeugführers enthalten, die unter absolutem Gefährdungsausschluss für jeden anderen Verkehrsteilnehmer erfolgen müssen, z. B. beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren (§ 9 Abs. 5 StVO). Es handelt sich hier um qualifizierte Sorgfaltsanforderungen, die bei der Verschuldensprüfung besonders zu beachten sind. Einem solchen Verkehrsverstoß kommt in der Regel ein hohes Gewicht zu und begründet regelmäßig den Anscheinsbeweis für ein Alleinverschulden, der aber entkräftet werden kann.

Allgemeine Verhaltenspflichten

Zu berücksichtigen sind auch allgemeine Verhaltenspflichten. So kann z. B. jeder Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr darauf vertrauen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer verkehrsgerecht verhalten und nicht mit einem Verkehrsverstoß zu rechnen ist. Besondere Aufmerksamkeit wird von Verkehrsteilnehmern in unklarer Verkehrslage verlangt, hier muss der Verkehrsteilnehmer immer mit dem fehlerhaften Verhalten anderer rechnen.

Im Übrigen gelten bei der Verschuldenshaftung die allgemeinen Regelungen. Nach § 276 BGB haftet der Schädiger für Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit.

2.5.3 Beteiligung von Kindern

Sind bei Verkehrsunfällen Kinder beteiligt, gelten besondere Haftungs- und Verschuldensmaßstäbe. Nach § 828 Abs. 1 BGB ist für einen Schaden nicht verantwortlich, wer nicht das 7. Lebensjahr vollendet hat. Diese Altersgrenze wird für den Bereich des Straßenverkehrs ausgedehnt, indem Kinder für einen Schaden nicht verantwortlich sind, wenn sie das 7., aber nicht das 10. Lebensjahr vollendet haben und nicht vorsätzlich gehandelt haben. Das bedeutet, dass gegen diese Kinder in Ermangelung eines eigenen Verschuldens keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Im umgekehrten Fall bedeutet dies aber auch, dass dem Kind bei der Geltendmachung der eigenen Schadensersatzansprüche gegen einen anderen Verkehrsteilnehmer kein Mithaftungseinwand entgegengehalten werden kann, da es gerade an einer Verantwortlichkeit des Kindes fehlt. Das Kind erhält daher immer ungekürzten Schadensersatz. In diesen Fällen verbleibt dem durch ein Kind geschädigten Verkehrsteilnehmer nur die Ersatzmöglichkeit aus Billigkeitsgründen nach § 829 BGB.

Hintergrund der Rechtsänderungen zum 1.8.2002 sind die psychologischen Vorgaben, dass Kinder erst ab einem Alter von 10 Jahren imstande sind, die Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs zu erkennen und entsprechend zu handeln.

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