Leitsatz

Kernproblem des Falles war die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Kindes gegenüber seinen Eltern.

 

Sachverhalt

Der Kläger klagte aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche der Mutter der Beklagten ein. Die Mutter der Beklagten befand sich seit dem 13.5.2003 in einem Pflegeheim und erhielt von dem Kläger Sozialhilfe in unterschiedlicher Höhe.

Während des gesamten Unterhaltszeitraums war die zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung 58 Jahre alte Beklagte als Sekretärin mit 25 Wochenstunden beschäftigt. Sie war verheiratet. Der Ehemann war Lehrer. Aus ihrer Ehe waren drei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen. Eine Tochter war während des Unterhaltszeitraums noch auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen.

Die Beklagte hat ihrem Bruder den Streit verkündet, der dem Rechtsstreit nicht beigetreten war. Der Bruder der Beklagten hatte den Hof seiner Eltern übernommen gegen Zusage der Versorgung mit Kost, Wohnung und Taschengeld. Seit dem Aufenthalt der Mutter im Pflegeheim zahlte er anstelle dieser Leistungen 604,72 EUR monatlich an den Kläger.

Der Kläger hat mit seiner Klage Unterhaltszahlungen der Beklagten für deren Mutter ab dem 13.5.2007 i.H.v. 240,00 EUR geltend gemacht. Dabei hat es eine ausreichende Leistungsfähigkeit der Beklagten unter Berücksichtigung des Familieneinkommens als gegeben angesehen.

Die Beklagte hat ihre Leistungsfähigkeit bestritten und aufgeführt, dass sie mit ihrem eigenen Einkommen als Sekretärin den Mindestselbstbehalt unterschreite. Zusammen mit ihrem deutlich mehr als sie verdienenden Ehegatten habe sie ihr beiderseitiges Gesamteinkommen für den Familienunterhalt vollständig verbraucht.

Das FamG hat der Klage für die Zeit vom 13.5.2003 bis zum 31.1.2005 mangels weitergehenden Verzuges nur i.H.v. 100,00 EUR stattgegeben. Für die Zeit danach gab es der Klage uneingeschränkt statt.

Gegen das erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und die vollständige Klageabweisung weiterverfolgt.

Mit seiner Anschlussberufung machte der Kläger den abgewiesenen Teil des erstinstanzlichen Klageantrages geltend mit der Begründung, das erstinstanzliche Gericht habe zu Unrecht das Fehlen der Verzugswirkungen angenommen.

Beide Rechtsmittel erwiesen sich als teilweise begründet. Das OLG hielt die Beklagte für die Zeit bis zum 31.1.2005 in weitergehendem und für die Zeit danach in geringerem Umfang zur Zahlung von Unterhalt für ihre inzwischen verstorbene Mutter verpflichtet, als dies vom FamG angenommen worden war.

 

Entscheidung

Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beklagten korrigierte das OLG die Steuerklassenwahl der weniger als ihr Ehemann verdienenden unterhaltspflichtigen Beklagten zunächst einmal auf Steuerklasse IV und schlug den Splittingvorteil beiden Ehegatten zu (BGH in FamRZ 2004, 443 ff.).

Nach der vorgenommenen Steuerklassenkorrektur stellte das OLG fest, dass eine Steigerung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Beklagten durch das Einkommen ihres Ehegatten dann nicht in Betracht komme, wenn das Einkommen der Ehepartner durch den Familienunterhalt vollständig aufgebraucht werde. Bei einer solchen Fallkonstellation könne nur das Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes zur Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit herangezogen werden. Vorab sei ggf. noch anteilig der vorrangige Kindesunterhalt abzuziehen.

Der Selbstbehalt der unterhaltspflichtigen Beklagten könne in einem solchen Fall um den Vorteil des gemeinsamen Wirtschaftens mit dem Ehepartner vermindert werden, wobei jedoch dieser Vorteil (in Höhe der Differenz der Selbstbehalte 1.400,00 EUR abzüglich 1.050,00 EUR = 350,00 EUR) beiden Ehepartner zu 1/2 zustehe, so dass von einem Selbstbehalt von derzeit 1.225,00 EUR auszugehen sei. In Höhe der Hälfte des diesen Selbstbehalt übersteigenden Einkommens des Unterhaltspflichtigen sei dieser gegenüber seinem unterhaltsbedürftigen Elternteil leistungsfähig.

Einen Taschengeldanspruch gegen seinen Ehepartner habe ein Unterhaltspflichtiger, der über ausreichende eigene Einkünfte verfüge, um seinen aus einem Taschengeld zu befriedigenden Bedarf selbst zu finanzieren, nicht und könne ihn damit auch für Unterhaltszwecke nicht einsetzen.

 

Hinweis

Eine lesenswerte Entscheidung des OLG Hamm zum Elternunterhalt, die möglicherweise erhebliche praktische Auswirkungen haben wird. Dies gilt zum einen hinsichtlich der vom OLG Hamm vorgenommenen Steuerklassenkorrektur, die generell von den Sozialhilfeträgern nicht vorgenommen wird. Zum anderen schiebt das Urteil des OLG Hamm einen Riegel vor die Praxis vieler Sozialhilfeträger, den Taschengeldanspruch zu aktivieren. Hierzu hat das OLG Hamm sich klar dahingehend geäußert, dass keinen Taschengeldanspruch hat, wer selbst ausreichend verdient.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2007, 1 UF 50/07

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