Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsmitglied. nachwirkender Kündigungsschutz. dauernde Arbeitsunfähigkeit. außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist

 

Leitsatz (amtlich)

Der nachwirkende Kündigungsschutz eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG läßt eine außerordentliche Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist nicht zu.

 

Normenkette

KSchG § 15 Abs. 1 S. 2; BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 16.06.1999; Aktenzeichen 1 Ca 137 c/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.03.2001; Aktenzeichen 2 AZR 624/99)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.06.1999 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 19.316,70 DM.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten gemäß Schreiben vom 18.01. sowie 05.02.1999 beendet worden ist.

Der Kläger hat vorgetragen:

Ein wichtiger Grund für die außerordentlichen Kündigungen im Sinne der §§ 626 BGB, 15 Abs. 1 KSchG sei nicht gegeben.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18.01.1999 aufgelöst worden ist,
  2. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 05.02.1999 aufgelöst worden ist,
  3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 05.02.1999 hinaus als Staplerfahrer mit einem derzeitigen Arbeitsentgelt von DM 22,86 pro Stunde weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Infolge seiner Erkrankung sei der Kläger dauerhaft nicht in der Lage, die nach seinem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung als Gabelstaplertahrer zu erbringen.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.06.1999 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungs- und Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers mit der Begründung entsprochen, die außerordentlichen Kündigungen vom 18.01. sowie 05.02.1999 seien unwirksam, weil ein wichtiger Grund im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht vorliege. Bei dauernder Leistungsunfähigkeit komme eine außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn die ordentliche Kündigung tariflich oder vertraglich ausgeschlossen sei. § 15 KSchG schränke dagegen zugunsten der betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträger die Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers für eine bestimmte Zeit ein. Eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist, wie sie die Beklagte hilfsweise ausgesprochen habe, sei im Gesetz nicht vorgesehen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet.

Sie trägt vor:

Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum Vorliegen eines Kündigungsgrundes im Sinne von § 626 BGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG gingen fehl. Daß der Kläger als ehemaliges Betriebsratsmitglied zum Kündigungszeitpunkt noch nachwirkenden Kündigungsschutz gehabt habe, habe die Beklagte nicht gehindert, das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit einer sozialen Auslauffrist zu kündigen. Derartige Kündigungen seien dogmatisch dem Tatbestand des § 626 BGB zuzuordnen. Unzutreffend sei die Auffassung des angefochtenen Urteils, daß diese Kündigungen in die „sachliche Nähe” einer ordentlichen Kündigung gerieten. Nach der Rechtsprechung und Literatur sei eine langanhaltende Krankheit und dauernde Unfähigkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, grundsätzlich ein möglicher Kündigungsgrund im Sinne von § 626 BGB, zumindest in den Fällen, in denen die ordentliche Kündigung – gleich aus welchem Grund – ausgeschlossen sei. Die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts habe in dem angefochtenen Urteil mit keinem Satz Erwähnung gefunden. Dabei entspreche es einem als gefestigt zu bezeichnenden Rechtsstandpunkt des Bundesarbeitsgerichts, daß im Falle der dauernden Unfähigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, in der Regel ein krankheitsbedingter wichtiger Kündigungsgrund vorliege. Vorliegend sei der Kläger nach dem Gutachten des Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienstes vom 11.09.98 aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme dauerhaft nicht mehr in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen, die er als gewerblicher Arbeitnehmer in einem Betonwerk wie dem der Beklagten schulde. Diese Tatsache berechtige die Beklagte, unabhängig von der Vorschrift des § 15 KSchG, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter den Voraussetzungen des § 626 BGB außerordentlich fristlos, hilfsweise unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist, einseitig aufzulösen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.06.1999, zugestellt am 24.06.1999 – Az.: 1 Ca 137 c/99 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurüc...

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