Entscheidungsstichwort (Thema)

Interessenausgleich und Sozialplan. ergänzende Betriebvereinbarung. zusätzliche Sozialplanleistung bei Klageverzicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine den Sozialplan ergänzende, am gleichen Tag geschlossene Betriebsvereinbarung, die weitere Ansprüche (hier: Qualifizierungsmaßnahme und zusätzliche Abfindung) der von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter zum Gegenstand hat, ist Bestandteil des nach § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG geschlossenen Sozialplans.

2. Der in § 75 Abs. 1 BetrVG statuierte Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es, in einem Sozialplan die Zahlung einer Abfindung an entlassene Arbeitnehmer von einem Klageverzicht derselben abhängig zu machen (im Anschluss an: BAG, Urt. v. 20.12.1983 – 1 AZR 442/82 –, BAGE 44, 364).

3. Dieses Verknüpfungsverbot von Sozialplanabfindung und Klageverzicht gilt auch dann, wenn in einem Sozialplan lediglich die Zahlung eines Teils der Abfindung von einem Klageverzicht abhängig gemacht wird und der übrige Teil der Abfindung bedingungslos an gekündigte Mitarbeiter gezahlt wird.

 

Normenkette

BetrVG § 112 Abs. 1 S. 2, § 75 Abs. 1; BGB § 612a; KSchG § 1a

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Urteil vom 18.09.2003; Aktenzeichen 2 Ca 533/03,)

ArbG Elmshorn (Aktenzeichen 4 Ca 596 c/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 31.05.2005; Aktenzeichen 1 AZR 254/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 18.09.2003, Az. 2 Ca 533/03, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Abfindungsanspruch aus einer Betriebsvereinbarung.

Der Kläger war seit dem 18.01.1994 als Maschineneinrichter für ein monatliches Bruttogehalt von 2.406,80 EUR bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte stellt Mobiltelefone her. Sie gehört einem Konzern mit mehreren Produktionsstätten weltweit an. Infolge eines Beschlusses der Konzernleitung im Herbst 2002 strukturierte die Beklagte ihre Produktion um. Durch die Umstellung verringerte sich der Personalbedarf. Für Einzelheiten der Umstrukturierung wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Flensburg verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Die Beklagte vereinbarte anlässlich der Betriebsänderung am 21.02.2003 mit dem Betriebsrat einen „Interessenausgleich und Sozialplan” (im Folgenden: BV „Sozialplan” Bl. 260 ff. d. GA.). Hierin sahen die Betriebsparteien unter Nr. VI eine Abfindung für diejenigen Arbeitnehmer vor, denen infolge der Betriebsänderung gekündigt wurde. Am selben Tag, dem 21.02.2003, schlossen die Beklagte und der Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung (Outplacement, Abwicklungsvertrag)” (im Folgenden: BV „Outplacement”; Bl. 265 f. d. GA.). Nach deren Präambel sollten damit „ergänzend zu dem Interessenausgleich und Sozialplan vom 21.02.03 weitere Ansprüche betroffener Mitarbeiter (…) geregelt werden”. Nach der Betriebsvereinbarung sollte Arbeitnehmern, die innerhalb von 7 Tagen nach Erhalt des Kündigungsschreibens schriftlich gegenüber der Personalabteilung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichteten, ein „Gruppenoutplacementprogramm” oder eine Erhöhung der Abfindung um ein Brutto-Monatsgehalt gewährt werden.

Mit Schreiben vom 28.03.2003 kündigte die Beklagte dem Kläger ordentlich aus betriebsbedingten Gründen zum 31.05.2003. Ausweislich der BV Sozialplan steht dem Kläger eine Abfindung in Höhe von rund EUR 13.000,00 zu.

Der Kläger hat am 08.04.2003 Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Flensburg erhoben und beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 28.03.2003 ausgesprochene Kündigung nicht beendet wurde,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über die in Ziffer VI des Interessenausgleichs und Sozialplans vom 21.02.3003 vorgesehene Abfindung hinaus einen weiteren Abfindungsbetrag in Höhe von 2.406,80 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der dortigen Bezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Mit Urteil vom 18.09.2003 hat das Arbeitsgericht Flensburg die Kündigungsschutzklage – zwischenzeitlich rechtskräftig – abgewiesen und die Beklagte gemäß dem Hilfsantrag zur Zahlung eines weiteren Abfindungsbetrags verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – soweit in der Berufungsinstanz von Belang – ausgeführt, der Abfindungsanspruch ergebe sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe die auf eine Kündigungsschutzklage verzichtenden Arbeitnehmer ohne rechtfertigenden sachlichen Grund gegenüber denjenigen, die auf den Kündigungsschutz verzichteten, ungleich behandelt. In der BV „Outplacement” liege kein sachlicher Grund. Diese Betriebsvereinbarung sei unwirksam, weil sie über die Befugnisse des Betriebsrats hinausreiche. Der Sozialplan diene dem...

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