Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhendes Arbeitsverhältnis eines Fernmeldehandwerkers bei Abschluss eines Zweitarbeitsverhältnisses auf Vermittlung der bisherigen Arbeitgeberin ohne schriftlichen Aufhebungsvertrag. Anspruch auf Beschäftigung und Annahmeverzugslohn nach Beendigung des Zweitarbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schließt der Arbeitnehmer auf Vermittlung seines bisherigen Arbeitgebers mit einem neuen Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag und arbeitet künftig nur für den neuen Arbeitgeber, ohne dass er mit seinem bisherigen Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag schriftlich abschließt, besteht das bisherige Arbeitsverhältnis aufgrund konkludenter Vereinbarung ruhend fort.

2. Die konkludente Ruhensvereinbarung gilt zumindest für die Dauer des auf Vermittlung des Arbeitgebers eingegangenen Zweit-Arbeitsverhältnisses. Es ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Arbeitnehmer das ruhende Arbeitsverhältnis wieder reaktiviert, wenn das Zweit-Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen endete. Dies gilt auch dann, wenn das Zweit-Arbeitsverhältnis auf Initivative des neuen Arbeitgebers wegen bevorstehender Betriebsstilllegung durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags endete.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611 Abs. 1, §§ 613, 615, 623; GewO § 106 Abs. 1 S. 1; TV Ratio § 7 Abs. 3; TV Ratio Anlage 4 § 8; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 21.03.2013; Aktenzeichen 5 Ca 1901 d/12)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgericht Kiel vom 21.03.2013, Az.: ö.D. 5 Ca 1901 d/12, im Tenor zu Ziff. 2. und 3. teilweise wie folgt abgeändert:

    "2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses vom 01.09.1970 mit Tätigkeiten gemäß der Entgeltgruppe T 5 des Entgeltrahmentarifvertrages der D. T. AG (ERTV) zu beschäftigen.

    3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 15.720,03 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf € 1.746,67 brutto seit dem 17.09.2012 und auf jeweils weitere € 3.493,34 brutto jeweils seit dem 17. des Folgemonats, zuletzt seit 17.01.2013 zu zahlen.

    4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."

  • 2.

    Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

  • 3.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

  • 4.

    Die Revision wird nur für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um das Bestehen eines zunächst ruhend gestellten Arbeitsverhältnisses, den Beschäftigungsanspruch und Verzugslohnansprüche des Klägers.

Der 61-jährige Kläger absolvierte bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin von September 1967 bis August 1970 eine Ausbildung zum Fernmeldehandwerker. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Ausbildung wurde der Kläger von der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.09.1970 als tariflicher Arbeitnehmer beim Fernmeldeamt Kiel eingestellt (Arbeitsvertrag vom 01.09.1970, Bl. 5 d. A.). Er war zuletzt bei der Beklagten in der Entgeltgruppe (EntgGr.) T 5 Stufe 4 des Entgeltrahmentarifvertrages der D. T. AG (ERTV) eingruppiert. Dies entspricht einem monatlichen Tarifentgelt von € 3.412,73 brutto. Der Kläger genießt seit dem 04.07.1992 tariflichen Kündigungsschutz gemäß § 26 a Abs. 1 des Tarifvertrages für die Arbeiter der D. B. (TVArb).

Nach vorübergehender Beurlaubung und Wechsel zur K. D. Vertrieb und Service GmbH & Co. KG kehrte der Kläger zum 01.07.2004 in das wieder aktivierte Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zurück und wurde mit Wirkung ab diesem Tage in den Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb der Beklagten, "V.", Region Nord, versetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden u. a. der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) Anwendung. Gemäß dessen § 7 i. V. m. mit der Anlage 8 zum TV Ratio vermittelte die Beklagte dem Kläger einen sogenannten Dauerarbeitsplatz in ihrem Geschäftsmodell "V. Technical Services GmbH & Co. KG" (nachfolgend: VTS). In diesem Zusammenhang unterbreitete die Beklagte dem Kläger einen von ihr und der VTS am 17.11.2004 unterschriebenen "Dreiseitigen Vertrag zur Auflösung und Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses", mit dem sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zum 31.12.2004 vereinbaren wollte (Bl. 7 - 9 d. A.). Der Kläger unterzeichnete diesen Vertrag nicht.

Am 03.12.2004 unterzeichnete der Kläger einen ihm von der VTS angebotenen Arbeitsvertrag mit Wirkung zum 01.01.2005 mit von ihm handschriftlich angefügten Änderungen und Vorbehalten (Bl. 10 - 14 d. A.). Zu diesen Änderungen und Vorbehalten erklärte sich die VTS nicht. Mit Wirkung ab dem 01.01.2005 nahm der Kläger seine Tätigkeit im Geschäftsmodell VTS am Arbeitsort Kiel auf. Die Beklagte teilte dem Kläger sodann mit Schreiben vom 06.05.2005 Folgendes mit (Bl. 216 d. A.):

"gemäß den tarifvertraglichen Bestimmungen der Anlage 8 des TV Ratio sind Sie insoweit Ihrer Verpflichtung nachgekommen, ein Arbeitsverhältnis bei der V. Technical Services GmbH & Co. KG (VTS) aufzunehmen. Wi...

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