Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung. Entbehrlichkeit einer Abmahnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Umgehung des Verbots einer Barauszahlung eines Sachbezugs kann als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung geeignet sein.

2. Der Arbeitnehmer kann nicht allein deshalb damit rechnen, der Arbeitgeber werde sein Verhalten nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten ansehen, weil die konkrete Form der Umgehung des Barauszahlungsverbots möglich und nicht ausdrücklich untersagt war.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 14.06.2007; Aktenzeichen 2 Ca 245/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.06.2009; Aktenzeichen 2 AZR 103/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.06.2007 – 2 Ca 245/07 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie um Weiterbeschäftigung.

Die am …1980 geborene Klägerin ist ledig und kinderlos. Sie trat am 01.09.2000 als Kauffrau im Einzelhandel in die Dienste der Beklagten. Die Klägerin arbeitete zuletzt in der Damenoberbekleidungsabteilung der L… Filiale der Beklagten. Dort erzielte sie ein Brutto-Monatsgehalt in Höhe von 1.628,00 EUR.

Jeder Mitarbeiter der Beklagten verfügt neben seinem Gehaltskonto über ein sogenanntes Mitarbeiter- oder Monatskonto (im Folgenden: MK-Konto). Über das MK-Konto werden Einkäufe der Mitarbeiter bei der Beklagten abgerechnet. Auf diesem Konto wird seit November 2005 aufgrund eines Sanierungstarifvertrages anstelle von Weihnachtsgeld jährlich ein sogenannter Sachbezug in Höhe von 1.000,– EUR für den Mitarbeiter gutgeschrieben. Teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter erhalten den Sachbezug anteilig entsprechend ihrer vertraglichen Arbeitszeit. Die tarifvertragliche Regelung wird durch die Gesamtbetriebsvereinbarung über die Gewährung eines Sachbezugs in den Jahren 2005, 2006, 2007 vom 28.04.2005 ergänzt. In der Gesamtbetriebsvereinbarung heißt es unter Ziffer 3:

„Der Sachbezug wird als Gutschrift per 15.11. auf dem MK-Konto gebucht. Der Sachbezug kann nur mit Käufen in der K… Warenhaus AG verrechnet werden. Eine Barauszahlung ist in jedem Fall ausgeschlossen.

Käufe, die ab dem Neukauftermin im Dezember erfolgen, werden auf den Rabattfreibetrag des Folgejahres angerechnet. Die MK-Gutschrift bzw. die Wunschkarte ist bis zum 30.09. des Folgejahres zu verbrauchen.

Da es sich steuerlich um einen Sachbezug handelt, wird der steuerrelevante Rabattzähler in voller Höhe des Sachbezugs zuzüglich der üblichen Personalrabatte in Höhe von 13 % bzw. 9 % (nach Vorwegabzug von 4 %) belastet. Dies erfolgt allerdings noch nicht mit der Gutschrift des Sachbezugs auf das MK-Konto, sondern erst zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ware gekauft wird. Bei Aushändigung einer Wunschkarte wird der Rabattzähler bereits zum Zeitpunkt der Einbuchung belastet.”

In Ziffer 5 findet sich unter der Überschrift „Sonstiges” folgende Regelung:

„Da die Barauszahlung des Sachbezugs bzw. der Wunschkarte steuerrechtlich nicht möglich ist, verfällt ein bei Austritt evtl. noch bestehendes Guthaben bzw. ein Wert auf der Wunschkarte ersatzlos.”

Wegen des weiteren Inhalts der Gesamtbetriebsvereinbarung wird auf Blatt 18 R ff der Akte verwiesen. Die Vereinbarung hing am Schwarzen Brett in der L… Filiale aus.

Steuerlich handelt es sich bei dem Sachbezug um eine Sachzuwendung. Das MK-Konto wird bei Kauf der Ware unter Berücksichtigung des Vorwegabzugs von 4 % mit dem steuerrelevanten Rabattzähler belastet. Soweit der individuelle jährliche Rabattfreibetrag nicht überschritten wird, fallen für den Mitarbeiter keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an. Im streitgegenständlichen Zeitraum betrug der Rabattfreibetrag 1.080,– EUR pro Jahr.

Jeder Mitarbeiter kann mit seiner MK-Karte eine sogenannte Wunschkarte erwerben. Die Wunschkarten, die es erst seit 2003/Anfang 2004 gibt, sind einheitlich gestaltet. Auf ihrer Rückseite ist vermerkt, dass eine Barauszahlung nicht möglich ist (vgl. Blatt 33 d. A.). Es ist nicht erkennbar, ob die Wunschkarte von einem Mitarbeiter oder ei-ner unternehmensfremden Person erworben wurde. Ferner ist nicht ersichtlich, ob die Wunschkarte mit Gehalt, Bargeld oder Sachbezug „aufgeladen” wurde. Wunschkarten können durch Abbuchung des Betrages verwendet, aber auch verkauft, bei ebay versteigert oder verschenkt werden. Bei einem Umtausch bzw. einer Rückgabe von Ware, die über die Wunschkarte bezahlt worden ist, kann der bei dem Kauf abgebuchte Betrag nicht auf die Wunschkarte zurückgebucht werden. Stattdessen wird Bargeld ausgezahlt, unabhängig davon, ob es sich um Mitarbeitereinkäufe oder um Einkäufe unternehmensfremder Personen handelt.

Der Klägerin wurde für das Jahr 2005 ein Sachbezug in Höhe von 950,74 EUR auf ihrem MK-Konto gutgeschrieben. Am 09.01.2006 kaufte s...

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