REVISION ZUGELASSEN JA

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltung. Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers. Übertragungszeitraum

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 10 Ziff. 6.9 Abs. 1 MTV für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der Metallindustrie Schleswig-Holstein setzt nicht voraus, daß der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsfähig ist.

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 14.09.1988; Aktenzeichen 4c Ca 1265/88)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 31.05.1990; Aktenzeichen 8 AZR 161/89)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 14. September 1988 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger gegen die Beklagte für das Urlaubsjahr 1988 einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung sowie Urlaubsgeld in Höhe von insgesamt 5.662,13 DM brutto hat.

Der am 14. Februar 1932 geborene Kläger nahm im Juni 1957 seine Tätigkeit im Betrieb der Beklagten auf. Vom 15. Februar 1980 an war er arbeitsunfähig krank. Die Parteien haben das Arbeitsverhältnis wegen eingetretener Erwerbsunfähigkeit des Klägers mit Aufhebungsvertrag vom 15.07. zum 31.07.1988 aufgelöst. Seit dem 31. Juli 1988 bezieht der Kläger rückwirkend zum 31. März 1988 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, daß der Kläger für das Urlaubsjahr 1988 einen Urlaubsanspruch in Höhe von 35 Urlaubstagen erworben hat; die Urlaubsabgeltung errechnet sich unstreitig auf 3.774,75 DM brutto, die zusätzliche tarifliche Urlaubsvergütung auf 1.887,38 DM brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der Metallindustrie Schleswig-Holstein (= MTV) anwendbar.

Der Kläger hat vorgetragen:

Er habe für das Jahr 1988 gemäß § 10 Ziff. 4.4 MTV einen Anspruch auf den vollen Jahresurlaub und das zusätzliche Urlaubsgeld gemäß § 4 Ziff. 10.1, 10.3 MTV; die Voraussetzungen des § 10 Ziff. 4.4 seien gegeben, da er aus Invaliditätsgründen nach Vollendung einer mindestens 10jährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit ausgeschieden sei. Die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers sei in dieser Tarifvorschrift nicht vorausgesetzt; das würde gegen Sinn und Zweck dieser Regelung verstoßen. Wollte man zur Begründung des Anspruchs allein § 10 Ziff. 6.9 Abs. 1 MTV heranziehen, entfiele der Urlaubsanspruch aus § 10 Ziff. 4.4 in allen denkbaren Fallkonstruktionen, so daß diese Vorschrift ersatzlos gestrichen werden könnte: Arbeitnehmer, die aus Invaliditätsgründen ausschieden, seien überwiegend aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht mehr in der Lage, ihre vertragsgemäß geschuldete Arbeitsleistung zu erfüllen; wenn der Arbeitnehmer ausnahmsweise noch arbeitsfähig wäre, könnte er krankheitsbedingt seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nur dann erbringen, wenn er aufgrund seines Arbeitsvertrages zur Erbringung auch anderer als der bisher ausgeübten Tätigkeiten verpflichtet wäre und diese physisch erbringen könnte. Daraus ergebe sich, daß § 10 Ziff. 4.4 nicht nur den Urlaubsanspruch regele, sondern auch dessen Durchsetzbarkeit über § 10 Ziff. 6.9 Abs. 1 MTV.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.662,13 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 26. August 1988 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Der Kläger habe zwar mit seinem Ausscheiden einen Urlaubsanspruch bzw. einen Abgeltungsanspruch für 35 Tage erworben; dieser Anspruch sei jedoch wegen Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht erfüllbar. Aufgrund der bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses andauernden Arbeitsunfähigkeit sei davon auszugehen, daß der Kläger während des gesamten Jahres 1988 und weiter bis zum Ende des Übertragungszeitraums, dem 31. März 1988, nicht nur erwerbsunfähig, sondern darüber hinaus arbeitsunfähig gewesen sei. Darlegungs- und beweispflichtig dafür, in weichen Zeiten er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Übertragungszeitraums wieder arbeitsfähig gewesen sei, sei der Kläger. § 10 Ziff. 4.4 MTV regele nur die Höhe des Urlaubsanspruchs, nicht jedoch dessen Abgeltung. Daher seien vorliegend gemäß § 10 Ziff. 6.9 Abs. 1 MTV, der gleichlautend mit § 7 Abs. 4 BUrlG sei, die allgemeinen Abgeltungsgrundsätze anzuwenden.

Nach diesen sei eine Abgeltung des Urlaubs wegen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nicht möglich. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld gemäß § 10 Ziff. 10.3 MTV; denn dieser Anspruch setze voraus, daß dem Arbeitnehmer Erholungsurlaub gemäß § 10 Ziff. 2 bzw. Ziff. 4 gewährt werde. Da dem Kläger ein Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs mangels Erfüllbarkeit nicht zustehe, könne er auch eine zusätzliche Urlaubsvergütung nicht verlangen.

Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsbegehren des Klägers mit der Begründung entsprochen, daß der Kläger gemäß § 10 Ziff. 4.4 i. V. m. Ziff. 10 MTV Anspruch auf die begehrte Leistung habe. Die E...

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