Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen mit unechter Rückwirkung. Gleichbehandlungsgrundsatz und gesetzliche Stichtagsregelungen. Zulässigkeit des Wegfalls der Anpassungsüberprüfungspflicht nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in § 30c Abs. 1a BetrAVG enthaltene unechte Rückwirkung ist verfassungsgemäß.

2. Die in § 30c Abs. 1a BetrAVG enthaltene Stichtagsregelung ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

3. Die Voraussetzungen für den Wegfall der Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG liegen für den arbeitgeberfinanzierten Teil der Tarife A∙N 1.5 und A∙N 2.1 der Versorgungskasse Deutscher Unternehmen VVaG (VDU) vor. Für diese Tarife wird die Beteiligung an dem Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchgeführt.

 

Normenkette

ZPO § 233; BetrAVG § 16 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1; VVG § 153 Abs. 2 S. 1 Hs. 1; BetrAVG § 30c Abs. 1a; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 30.05.2018; Aktenzeichen 4 Ca 1885 c/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.05.2022; Aktenzeichen 3 AZR 374/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 30.05.2018 - 4 Ca 1885 c/17 - wird unter Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten jetzt noch über die Verpflichtung der Beklagten, den arbeitgeberfinanzierten Anteil der Betriebsrente des Klägers, die er von einer regulierten Pensionskasse seit 01.04.2006 bezieht, anzupassen. Der Kläger macht mit seiner Klage die Zahlung rückständiger Betriebsrente für das Jahr 2014 wegen unterbliebener Anpassung zum 1. April 2012 geltend.

Der Kläger war vom 13. März 1978 bis zum 28. Februar 2003 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen als Monteur beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Aufhebungsvertrags.

Die Beklagte führt die betriebliche Altersversorgung ihrer Arbeitnehmer über die V.kasse D. U. VVaG (im Folgenden VDU) durch. Bei der VDU handelt es sich um eine regulierte Pensionskasse in der Rechtsform eines kleineren Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Als regulierte Pensionskasse unterliegt die VDU der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden BaFin).

Eine ausdrückliche betriebsrentenrechtliche Versorgungszusage erhielt der Kläger nicht. Die beitragsorientierte Leistungszusage wurde konkludent erteilt, und zwar mit der Anmeldung des Klägers durch die Beklagte zur VDU sowie dessen Arbeitsaufnahme (§ 8 Nr. 3 der Satzung der VDU vom 01.01.1977 - BAG v. 03.06.2020 - 3 AZR 166/19 - Rn. 38 - 40). Die Satzung und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen waren zum damaligen Zeitpunkt noch in einem Dokument verbunden.

In der Satzung der VDU vom 01.01.1977, die bei Arbeitsbeginn des Klägers noch Anwendung fand, heißt es u.a. wie folgt:

"II. Organisation

§ 5 Aufgaben des Zentralausschusses

1. Die Aufgaben des Zentralausschusses sind:

a) Prüfung und Genehmigung der Jahresabschlüsse ....

b) Beschlussfassungen zu §§ 13 bis 30, 31, 33 haben die Wirkung für bestehende Versicherungsverhältnisse auch dann, wenn die betreffenden Mitglieder nicht ausdrücklich zustimmen. Soweit Satzungsänderungen erhöhte finanzielle Leistungen der Mitgliedsgesellschaften bedingen, ist deren Zustimmung erforderlich.

c) .....

"III. Mitgliedschaft

§ 8 Pflichtmitgliedschaft

1. Als Pflichtmitglieder der Kasse werden die bei den Mitgliedsgesellschaften Beschäftigten aufgenommen, soweit sie das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und nach der Arbeitsordnung oder dem Arbeitsvertrage zum Eintritt in die Kasse verpflichtet sind. ....

3. Mitglied der Kasse wird, wer mit ihr ein Versicherungsverhältnis begründet. ...... (Anlage BB1, Bl. 349f d.A.)

Gemäß § 14 der Satzung vom 01.01.1977 zahlten die Mitglieder einen gehaltsabhängigen Beitrag und die Mitgliedsunternehmen gemäß § 15 der Satzung einen in der Höhe davon abhängigen Zuschuss. Weiter heißt es wie folgt:

"V. Leistungen

§ 19 Renten

1. Die Kasse gewährt:

a. Altersrente an männliche Mitglieder ab vollendetem 65. Lebensjahr

b. Altersrente an weibliche Mitglieder ab vollendetem 64. Lebensjahr

c. Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente

d. Kinderzuschläge

e. Witwen- und Waisenrente

f. Jubiläumsrente

2. .....

§ 20 Höhe der Jahres-Leistungen

(Anlage BB1, Bl. 352 d.A.)

VII. Vermögen

§ 31 Kassenvermögen

Abgesehen von einem zur Deckung der laufenden Ausgaben erforderlichen Barbestand und einem entsprechenden Guthaben bei einer Bank bzw. mehreren Banken und dem Postscheckamt ist das Kassenvermögen unter Beachtung der §§ 54, 68 und 69 des Gesetzes über die B.-Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931 in der Fassung vom 5. März 1937 verzinslich anzulegen.

§ 32 Versicherungsmathematische Prüfung

1. In Abständen von drei Jahren, auf Verlangen der Aufsichtsbehörde auch zu anderen Zeitpunkten, hat der Vorstand durch einen versicherungsmathematischen Sachverständig...

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