Entscheidungsstichwort (Thema)

Weihnachtsgratifikation. betriebliche Übung. Freiwilligkeitsvorbehalt. wirtschaftliche Lage. Aushang. Widerruf. Weiterarbeit. Verzicht. Verwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Teilt der Arbeitgeber der Belegschaft in einem Aushang mit, daß er aus wirtschaftlichen Gründen die Weihnachtsgratifikation nicht mehr zahlen könne, so liegt darin, daß ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit im Betrieb widerspruchslos fortsetzt, grundsätzlich kein Verzicht auf die Weihnachtsgratifikation.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 24.05.1995; Aktenzeichen 2e Ca 233/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.08.1996; Aktenzeichen 10 AZR 68/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 24.05.1995 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.200,– DM.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für die Jahre 1993 und 1994 in Höhe von insgesamt 1.200,– DM brutto gegen die Beklagte hat.

Die Klägerin ist im Betrieb der Beklagten seit 1989 beschäftigt. Sie hat bis 1991 alljährlich Weihnachtsgeld erhalten. Mit Aushang am „Schwarzen Brett” vom 04.12.1992 hat die Beklagte ihrer Belegschaft mitgeteilt, daß aus wirtschaftlichen Gründen eine Gratifikation im Jahr 1992 nicht gezahlt werden könne und, wenn die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren wieder positiver sein würde, den Mitarbeitern alle Vergünstigungen wieder gewährt würden. In den Jahren 1992, 1993 und 1994 hat die Klägerin eine Weihnachtsgratifikation nicht erhalten.

Sie hat vorgetragen:

Die Beklagte habe offenbar aufgrund einer Vereinbarung, die sie in den 70 er Jahren mit der IG Metall getroffen habe, Weihnachtsgeld gezahlt. Die Zahlungen seien nicht unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt. Aufgrund ihrer rechtlichen Verpflichtung müsse die Beklagte auch für die Jahre 1992, 1993 und 1994 Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils 600,– DM brutto zahlen, insgesamt 1.800,– DM brutto.

Die Klägerin hat beantragt,

die beklagte Partei zu verurteilen, an die klagende Partei DM 1.800,– brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 28.02.1994 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Die Zahlungen seien unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt, so daß auch die mehrfache Gewährung keine Rechtsansprüche für die Zukunft habe begründen können (Beweis: Zeugnis Frau Monika E., Prokuristin Frau L.). Aufgrund dieses Vorbehalts sei sie berechtigt, ab 1992 von der Gewährung der Gratifikation Abstand zu nehmen. Hiervon habe sie 1992 Gebrauch gemacht, als sie von der Konjunkturschwäche der Automobilindustrie als deren Zulieferbetrieb besonders stark betroffen gewesen sei, so daß sie jedwede Gratifikationszahlung unzumutbar belastet hätte. Im übrigen sei der Zahlungsanspruch für die Jahre 1992 und 1993 verwirkt, da die Klägerin erst mit Klagschrift vom 02.02 Klage erhoben habe, die der Beklagten am 10.02.1995 zugestellt worden sei.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 24.05.1995 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsbegehren der Klägerin in Höhe von 1.200,– DM brutto mit der Begründung entsprochen, daß die Klägerin aufgrund betrieblicher Übung einen Zahlungsanspruch habe, nachdem die Beklagte in den Jahren 1989, 1990 und 1991 die Weihnachtsgratifikation vorbehaltlos gezahlt habe. Das Vorbringen der Beklagten, daß die Gratifikationen unter Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlt worden seien, sei unsubstantiiert, so daß der angebotene Beweis nicht habe erhoben werden dürfen. Der Zahlungsanspruch für die Jahre 1993 und 1994 sei in Höhe von 1.200,– DM brutto begründet, der Anspruch für 1992 sei verjährt. Die Klägerin habe nicht dadurch, daß sie in Kenntnis der Zahlungsunwilligkeit der Beklagten ihre vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen weiterhin erbracht habe, auf den Gratifikationsanspruch für 1992 und die folgenden Jahre verzichtet. Ein Verzicht sei eine Willenserklärung, die nicht darin gesehen werden könne, daß der Arbeitnehmer seine Tätigkeiten stillschweigend fortsetze. Der Zahlungsanspruch sei auch nicht verwirkt.

Gegen dieses ihr am 10.08. zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.08. Berufung eingelegt und diese, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.10. verlängert worden war, am 20.10.1995 begründet.

Die Beklagte trägt vor:

Ob sie die Zahlung der Weihnachtsgratifikationen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt habe, könne dahingestellt bleiben; denn das Arbeitsverhältnis der Parteien sei aufgrund schlüssigen Verhaltens einvernehmlich abgeändert worden, wie das Landesarbeitsgericht in einem Parallelverfahren entschieden habe – Urt. v. 11.05.1995, 4 Sa 575/94 –. Nachdem die Beklagte ihren Mitarbeitern durch Aushang 1992 mitgeteilt habe, daß keine Weihnachtsgratifikation gezahlt werden könne und dementspre...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge