Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterrichtung des Betriebsrats. Kündigung. Eigentumsdelikt. entlastende Gesichtspunkte. Verlauf des Arbeitsverhältnisses. Betriebsratsunterrichtung auch über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Beabsichtigt ein Arbeitgeber, ein Arbeitsverhältnis wegen Diebstahls oder des Verdachts des Diebstahls zu kündigen, hat er den in seinem Betrieb gebildeten Betriebsrat auch über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses und die von ihm vorgenommene Interessenabwägung zu unterrichten.

 

Normenkette

BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 30.06.2011; Aktenzeichen 4 Ca 284 b/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 30.06.2011 – 4 Ca 284 b/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um zwei fristlose und zwei hilfsweise ordentliche Kündigungen der Klägerin.

Die Klägerin jetzt 41 Jahre alt. Sie ist seit 01.04.1999 als Reinigungskraft/Aufsicht im Stadtbad beschäftigt. Sie ist verheiratet, jedoch getrennt lebend und einem eigenen Kind zum Unterhalt verpflichtet. Darüber hinaus gibt sie an, sie habe das Kind ihrer im letzten Jahr verstorbenen Schwester in ihren Haushalt zur Pflege aufgenommen. Die Klägerin erhielt zuletzt eine Vergütung von durchschnittlich 2.900,00 EUR brutto. Sie ist behindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30. Der Gleichstellungsantrag vom 20.01.2011 ist mit Bescheid vom 23.06.2011 (Bl. 95) zurückgewiesen worden.

Die Klägerin erhielt im Mai 2009 eine Abmahnung wegen Verlassens des Geländes ohne vorherige Abmeldung bei dem zuständigen Schichtführer. Am 17.08.2010 wurde sie wegen Verlassens des Arbeitsplatzes ohne Abmeldung (Bl. 33 d.A.) und am 07.01.2011 wegen Führens eines privaten Telefongespräches während der Arbeitszeit ohne Kennzeichnung des Gespräches als „privat” (Bl. 31/32 d.A.) ermahnt. Unstreitig hat deswegen ein Gespräch zwischen der Klägerin, dem Betriebsleiter Herrn K. und dem Betriebsrat stattgefunden, in dem der Klägerin u.a. nahegelegt wurde, sich eine andere Stelle zu suchen.

Seit dem 20.01.2011 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Am 04.02.2011 erschien sie zwischen 18:30 Uhr und 19:00 Uhr im Stadtbad und durchsuchte das Fundsachenregal nach einem Tauchring. Strittig ist, ob es sich um den – namentlich gekennzeichneten – Tauchring des Sohnes der Klägerin oder um irgendeinen Tauchring handelte. Nach der Behauptung der Beklagten fand sie einen gelben Tauchring, warf ihn auf einen am Boden liegenden Stapel Schwimmkleidung und verließ sodann mit Kleidungsstücken bepackt das Gebäude. Hiervon erfuhr die Beklagte am 10.02.2011. Mit Schreiben vom 15.02.2011 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an (Bl. 35 bis 38 d.A.). Der Betriebsrat äußerte am 17.02.2011 Bedenken (Bl. 39 d.A.). Der ordentlichen Kündigung widersprach er am 21.02.2011. Ebenfalls mit Schreiben vom 15.02.2011 (Bl. 40 d.A.) hörte die Beklagte die gebildete Schwerbehindertenvertretung an. Diese äußerte gegen beide beabsichtigten Kündigungen mit Schreiben vom 17.02.2011 Bedenken (Bl. 41, 42 d.A.). Ebenfalls mit Schreiben vom 15.02.2011 beantragte die Beklagte vorsorglich die Zustimmung des Integrationsamtes zur beabsichtigten Kündigung. Das Integrationsamt erteilte der fristlosen Kündigung mit Bescheid vom 24.02.2011 (Bl. 43 bis 44 d.A.) und der ordentlichen Kündigung mit Bescheid vom 25.02.2011 (Bl. 45/46) die Zustimmung. Die Bescheide gingen der Beklagten am 28.2.2011 zu. Die Beklagte sprach daraufhin unter dem 28.02.2011 die fristlose Kündigung aus. Diese ging der Klägern am selben Tag zu. Die ordentliche Kündigung vom 02.03.2011 ging der Klägerin am 03.03.2011 zu.

Am 24.02.2011 forderte die Beklagte die Klägerin auf, nach Ende der bis 25.02.2011 prognostizierten Arbeitsunfähigkeit am 28.02.2011 in einem Personalgespräch Stellung zu nehmen zu den Vorfällen vom 04.02.2011 (Bl. 47 d.A.). Dabei teilte sie der Klägerin mit, es werde ihr vorgeworfen, am 04.02.2011 aus dem Fundsachenregal nicht in ihrem Eigentum befindliche Gegenstände ohne Erlaubnis des Arbeitgebers entwendet zu haben. Dieses Gespräch sagte die Klägerin ab. Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 28.02.2011 auf, bis zum 03.03.2011 schriftlich zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen (Bl. 48 d.A.). Auf dieses Schreiben meldete sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 03.03.2011 (Bl. 49 d.A.) und erklärte, dass die Klägerin den verlorenen Tauchring ihres Sohnes nicht gefunden habe. Sie habe dann lediglich aus ihrem Spind persönliche Sachen geholt und sei nach Hause gegangen. Wegen des Verdachts des Diebstahls eines Tauchringes hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 08.03.2011 (Bl. 50 bis 56 d.A.) wegen einer weiteren auszusprechenden fristlosen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung an. Der Betriebsrat äußerte am 10.03.2011 Bedenken (Bl. 57 d.A.). Die Beklagte hörte auch vorsorglich die Schwerbehind...

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