Entscheidungsstichwort (Thema)

Differenzierungsklausel. einfache. Sonderzahlung. Koalitionsfreiheit. Zulässigkeit einer tariflichen Differenzierungsklausel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Differenzierungsklausel in einem Tarifvertrag, wonach nur diejenigen Arbeitnehmer eine Sonderzahlung erhalten sollen, die an einem Stichtag Mitglied einer der beiden tarifvertragsschließenden Gewerkschaften sind und bleiben, ist unwirksam (im Anschluss an BAG 09.05.2007 – 4 AZR 275/06 –).

2. Dieser Anspruchsausschluss verstößt gegen die individuelle Koalitionsfreiheit.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3; TVG § 3 Abs. 1, 3, § 4 Abs. 1, 5; BGB § 139

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 04.10.2007; Aktenzeichen 1 Ca 1041 c/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.11.2009; Aktenzeichen 4 AZR 491/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 04.10.2007 – 1 Ca 1041 c/07 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1. des Tenors wie folgt gefasst wird:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliche Sonderzahlung für das Jahr 2007 in Höhe von 1.477,18 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 auf 1.028,03 EUR und auf weitere 449,15 EUR seit dem 01.05.2008 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin hinsichtlich der für das Jahr 2008 zu gewährenden jährlichen Jahressonderzahlung einem ver.di/NGG-Mitglied gleichzustellen hat.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob Regelungen eines Firmentarifvertrages über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung für Gewerkschaftsmitglieder auch für die nicht gewerkschaftlich gebundene Klägerin gelten.

Die Klägerin trat am 01.01.1994 als Krankenschwester in die Dienste der Beklagten. Ihr Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 2.837,– EUR. Sie ist weder in der Gewerkschaft NGG noch in der Gewerkschaft ver.di organisiert. Der Arbeitsvertrag der Klägerin vom 28.09.1993 sieht in seinem § 2 vor, dass sich das Arbeitsverhältnis „nach dem zwischen der Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr und dem Arbeitgeber abgeschlossenen Tarifvertrag vom 01.07.1976 in der jeweils gültigen Fassung in Verbindung mit dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen” bestimmt.

Bis zum Jahr 2006 zahlte die Beklagte der Klägerin jährlich eine Jahressonderzuwendung. Seit dem Jahr 1998 galten Haustarife, die auch Sonderzahlungen vorsahen. Der zuletzt, d. h. im Jahr 2006 geltende Tarifvertrag sah hinsichtlich der Höhe der Sonderzahlung eine Schwankungsbreite von 50 bis 150 % eines Bruttomonatsgehalts vor. Die Höhe der Zahlung bestimmte sich nach dem Umsatz. Die Klägerin erhielt danach eine Jahressonderzuwendung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts.

Mit Datum 25.03.2007 schlossen die Gewerkschaften ver.di und NGG einerseits und die D.-H. AG andererseits mit Wirkung auch für die Beklagte einen „Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung” (TV Sonderzahlung). Danach erhalten die Arbeitnehmer für jedes Wirtschaftsjahr eine Sonderzahlung, deren Höhe von der Entwicklung des Betriebsergebnisses (EBITDA) des Konzerns der D.-H. AG abhängt. Die Berechnung der Sonderzahlung richtet sich nach § 5 TV Sonderzahlung. Die Vorschrift lautet auszugsweise wie folgt:

  1. „Basis zur Berechnung der Sonderzahlung für das Wirtschaftsjahr 2007 und die folgenden ist das Konzernergebnis vor Zinsen, Abschreibung, Steuern (EBITDA).
  2. Für die Wirtschaftsjahre 2007 und folgende gilt hinsichtlich der Sonderzahlung folgende Regelung:

    Arbeitnehmer, die die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Ziffer 1 erfüllen, erhalten mit der Entgeltzahlung November einen Abschlag auf die Sonderzahlung in Höhe von 90 % des voraussichtlich erreichten Faktors der von Januar bis Oktober gezahlten durchschnittlichen ständigen Entgeltbestandteile.”

In den Ziffern 4 und 5 sowie 7 bis 11 des § 5 TV Sonderzahlung ist dem EBITDA (in %) jeweils ein Sonderzahlungsfaktor zugewiesen. Dabei liegt der Faktor der Sonderzahlung in den Jahren 2007 und 2008 für Mitglieder der Gewerkschaft ver.di bzw. NGG jeweils oberhalb des für die übrigen Mitarbeiter relevanten Faktors. So beträgt bei einem EBITDA von 7,7 % im Jahr 2007 der Faktor der Sonderzahlung für Mitglieder der genannten Gewerkschaften 1,0, während er sich für die anderen Mitarbeiter nur auf 0,40 beläuft.

Weiter heißt es in § 5 TV Sonderzahlung:

„12. Unabhängig von einer möglichen höheren Zahlung nach den Regelungen der Ziffern 4 bis 9 erhalten Mitglieder der Gewerkschaften ver.di sowie NGG in den Jahren 2007 bis 2009 mindestens eine garantierte Jahressonderzahlung in Abhängigkeit zu der am 31.12.2006 jeweils gültigen tariflichen Regelung nach folgender Tabelle:

Am 31.12.2006 gültige Regelung

Garantierter Faktor

Sonderzahlung nach Haustarif

0,80

TVÖD (Regelung 2007)

0,60 bis 0,90

TVL

0,35 bis 0,95

TVÖD-Ost

0,45 bis 0,675

BAT-Ost

0,6721

ENDO-Klinik

0,35

NGG

0,40

13. Als Gewerkschaftsmitglied gilt, ...

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