Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragliche Vorverlagerung des Kündigungsschutzes nach § 1 KSchG

 

Leitsatz (amtlich)

Eine zeitliche Vorverlagerung allgemeinen Kündigungsschutzes kann vertraglich bereits für den Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme erfolgen. Sofern die Abrede nicht ausdrücklich, sondern stillschweigend getroffen worden sein soll, bedarf es sorgfältiger, ausgewogener Würdigung des Verhaltens beider Parteien, des zum Ausdruck gekommenen Wunsches des Arbeitnehmers und der mindestens stillschweigenden Billigung des Arbeitgebers.

 

Normenkette

BGB § 622; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 15.05.1985; Aktenzeichen 2a Ca 355/85)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 15. Mai 1985 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 4. Juli 1984 war der Kläger bei der Beklagten seit dem 16. Juli 1984 als Bäcker beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte die Beklagte am 10.1.1985 zum 25.1.1985 fristgemäß auf. Dagegen wendet sich der Kläger im zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit.

Er hat geltend gemacht, daß das Kündigungsschutzgesetz auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finde, da ihm ein „festes Arbeitsverhältnis” zugesagt worden sei. Gründe nach § 1 KSchG seien nicht gegeben.

Der Kläger hat behauptet, er habe den ihm zunächst von der Beklagten angebotenen auf sechs Monate befristeten Arbeitsvertrag unter Hinweis darauf, daß er noch in einem sicheren Arbeitsverhältnis stünde, abgelehnt. Er habe ein festes Arbeitsverhältnis bei der Beklagten verlangt. Nachdem darüber zunächst keine Einigung habe erzielt werden können, sei ihm über die Zeugen J. und H. mitgeteilt worden, daß die Beklagte nunmehr zum Abschluß eines Arbeitsvertrages zu den Bedingungen des Klägers bereit sei.

Daraus ergebe sich, so vertritt der Kläger die Ansicht, daß die Beklagte das Arbeitsverhältnis nur unter den Voraussetzungen des § 1 KSchG habe wirksam aufkündigen können. Diese Voraussetzungen jedoch seien nicht erfüllt, weder lägen Gründe in seiner Person oder in seinem Verhalten vor noch bestünde eine betriebsbedingte Notwendigkeit für seine Entlassung.

Ferner sei auch der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden, da er nicht davon in Kenntnis gesetzt worden sei, daß der Kläger bereits unter Kündigungsschutz stehen könnte.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 10. Januar 1985 nicht aufgelöst wurde sondern über den 25. Januar 1985 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Urteil vom 15. Mai 1985 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Kläger noch nicht unter Kündigungsschutz gestanden habe. Im schriftlichen Arbeitsvertrag, der die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit in sich trage, sei nicht festgelegt, daß der Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes schon mit Beginn des Arbeitsverhältnisses Geltung habe erlangen sollen. Diese Vermutung sei auch nicht widerlegt worden. Nach durchgeführter Beweisaufnahme stehe vielmehr zur Überzeugung des Arbeitsgerichts fest, daß der Kläger nicht habe davon ausgehen können, daß das Kündigungsschutzgesetz sofort ab Beginn des Arbeitsverhältnisses habe Anwendung finden sollen. Im übrigen habe für die Kündigung ein sachlicher Grund vorgelegen, die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung und zur weiteren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 23. Mai 1985 zugestellte Urteil hat er am 19. Juni 1985 Berufung eingelegt und diese am 17. Juli 1985 begründet.

Der Kläger wiederholt sein Vorbringen erster Instanz und behauptet weiterhin, beim Vorstellungsgespräch das ihm angebotene befristete Arbeitsverhältnis mit der Begründung abgelehnt zu haben, es gehe ihm nur um ein „festes Arbeitsverhältnis”. Im übrigen beanstandet der Kläger, daß das Arbeitsgericht nicht die von ihm benannten Zeugen H. und J. zu der Frage vernommen habe, was der Zeuge R. ihnen über den Inhalt des Vorstellungsgesprächs mitgeteilt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.1.1985 nicht aufgelöst wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt weiterhin die Ansicht, daß der Kläger zum Zeitpunkt der Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht unter Kündigungsschutz gestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache selbst konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.

Das ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge