Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstellung. Nettopauschalkräfte. Betriebsrat. Eingruppierung. tarifliche VergO

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Beschluss vom 10.04.1990; Aktenzeichen 1c BV 6/90)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Kiel vom 10.04.1990 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Beteiligte zu 1. (im folgenden Betriebsrat) und die Beteiligte zu 2. (im folgenden Geschäftsleitung) streiten darüber, ob bei der Einstellung sog. Nettopauschalkräfte eine Vergütungsgruppe der Vergütungsordnung des jeweiligen Lohntarifvertrags anzugeben ist.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den angefochtenen Beschluß des Arbeitsgerichts Kiel vom 10.04.1990 nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Verlangen des Betriebsrats, seine Zustimmung zur Eingruppierung mehrerer Arbeitnehmerinnen in den jeweiligen Lohntarifvertrag einzuholen, mit der Begründung entsprochen, daß die genannten Mitarbeiterinnen von den einschlägigen Tarifverträgen des Einzelhandels in Hamburg bzw. Schleswig-Holstein erfaßt würden; in den Tarifverträgen sei nicht erwähnt, daß geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer nicht erfaßt werden sollten. Nach den einschlägigen Tarifverträgen würden die Beschäftigten in Beschäftigungsgruppen eingestuft; hierfür komme es auf die tatsächlich verrichtete Tätigkeit an; diese, nicht die Höhe der Vergütung, sei ausschlaggebend für die Frage der tarifgerechten Eingruppierung. Die Unterlassung der Eingruppierung der genannten Mitarbeiterinnen stelle einen tarifwidrigen Zustand dar, dessen Beseitigung der Betriebsrat vorliegend zu Recht erstrebe.

Gegen diesen ihr am 04.05.1990 zugestellten Beschluß hat die Geschäftsleitung am 01.06.1990 Beschwerde eingelegt und diese am 28.06.1990 begründet.

Die Geschäftsleitung trägt vor:

Weder der Lohn- noch der Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in Schleswig-Holstein erfasse die Nettopauschalkräfte. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit der Pauschalversteuerung ohne Sozialabgaben berücksichtigten beide Tarifverträge nicht; denn sie sähen nicht eine zu vereinbarende Nettovergütung vor, sondern nur eine Bruttovergütung. Der Betriebsrat lege § 99 BetrVG anders aus als das Bundesarbeitsgericht, das in dieser Vorschrift in erster Linie eine Schutzfunktion für den Arbeitnehmer sehe; diese unterlaufe die Auffassung des Betriebsrats und verkehre sie in das Gegenteil. Entscheidend sei, daß sich die Grundlage für die Vereinbarung einer Nettovergütung in den weit überwiegenden Fällen im Bedarf der Mitarbeiter finde. Das Interesse der Arbeitnehmer gehe dahin, einen möglichst hohen Nettoverdienst ohne die sonst übliche, für sie erhebliche Steuerbelastung zu erreichen. Wenn eine Eingruppierung in die einschlägigen Tarifverträge möglich sein und auch erfolgen würde, würde die dort vorgesehene Bruttovergütung dazu führen, daß die Mitarbeiter vollen Umfangs abgabepflichtig würden und ein weitaus geringeres Nettoentgelt bekämen. Eine Eingruppierung in eine Vergütungsgruppe würde möglicherweise einen Eingriff in die Vertragsgestaltungsautonomie der Parteien bedeuten. Die Befugnisse des Betriebsrats beschränkten sich in diesem Bereich auf die Forderung der Erfüllung der Unterrichtungspflicht hinsichtlich der Punkte, die für die Richtigkeitskontrolle u. a. der Vergütung erforderlich seien. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf die richtige Vergütung werde jedoch durch die hier erfolgten Angaben der Geschäftsleitung nicht berührt; diese genüge ihren Verpflichtungen gegenüber dem Betriebsrat, indem sie u. a. Angaben über die Höhe des gezahlten Nettostundenbetrages unter Berücksichtigung der vorhandenen eigenen Richtlinien mache. Dadurch sei es dem Betriebsrat möglich, die Richtigkeitskontrolle im Rahmen des § 99 BetrVG auszuüben. Dagegen sei eine Richtigkeitskontrolle nicht möglich, wenn der Mitarbeiter einer bestimmten Lohngruppe zugeordnet werde, weil er nicht erkennen könne, in welcher Höhe das Nettoentgelt vereinbart worden sei. Er könne gar nicht erkennen, ob z. B. für gleiche Arbeiten unterschiedliche Nettoentgelte vereinbart worden seien.

Die Geschäftsleitung beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Kiel – 1c BV 6/90 – die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor:

Es stehe außer Frage, daß jeder Arbeitnehmer einzugruppieren sei, der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages falle, mithin auch Aushilfs- und Teilzeitbeschäftigte. Wenn die von dem angestellten Arbeitnehmer zu verrichtende Tätigkeit von einer tariflichen Lohn- oder Gehaltsgruppenordnung erfaßt werde, sei der Arbeitgeber dem Betriebsrat gegenüber verpflichtet, die Eingruppierung des Arbeitnehmers vorzunehmen und den Betriebsrat an dieser Eingruppierung zu beteiligen. Da auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer vorliegend die Lohntarifverträge des Einzelhandels Schleswig-Holstein bzw. Hamburg kraft Allgemein-Verbindlich...

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