Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzungsverfahren, sofortige Beschwerde, Abhilfe, Rechtspfleger, anwaltliche Reisekosten, auswärtiger Anwalt, Reisekosten der Partei, Informationsreise, Ablichtungen, Kopierkosten

 

Leitsatz (amtlich)

Das Abhilfeverbot des § 577 Abs. 3 ZPO gilt auch in den Fällen, in denen die Entscheidung des Rechtspflegers nach § 11 Abs. 1 RPflG n.F. der sofortigen Beschwerde unterliegt

 

Normenkette

ArbGG § 11 Abs. 2 S. 1; BRAGO § 27 Abs. 1 Nr. 3; RPflG § 11 Abs. 1-2; ZPO § 91 Abs. 1-2, §§ 104, 577 Abs. 3

 

Beteiligte

2. D

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 24.08.1999; Aktenzeichen 3 b Ca 2350/97)

 

Tenor

Der Beschluß des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 24.8.199 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Festsetzungsantrag an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

A. Die Sache ist nicht zur Abhilfeprüfung an den Rechtspfleger zurückzugeben; denn es gilt das Abhilfeverbot des § 577 Abs. 3 ZPO. Der Rechtspfleger ist deshalb in den Fällen, in denen seine Entscheidung nach § 11 Abs. 1 RPflG n.F. der sofortigen Beschwerde unterliegt, zur Abhilfe nicht berechtigt.

Von zahlreichen Gerichten wird allerdings entgegen der in der Literatur herrschenden Meinung die Auffassung vertreten, der Rechtspfleger dürfe die sofortige Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren erst nach einer Abhilfeprüfung dem Beschwerdegericht vorlegen.

I. Gerechtfertigt wäre die Abweichung vom Wortlaut des § 577 Abs. 3 ZPO nur, wenn die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion vorlägen. Die teleologische Reduktion ist das Gegenstück zur Analogie. Bei der Analogie wird eine für einen Tatbestand A im Gesetz gegebene Regel auf einen vom Gesetz nicht geregelten, ihm wertungsmäßig vergleichbaren Tatbestand B übertragen. Bei der teleologischen Reduktion wird umgekehrt eine gesetzliche Regelung auf einen Tatbestand, den sie nach ihrem Wortlauf regelt, auf den sie aber wertungsmäßig nicht paßt, nicht angewandt. Voraussetzung ist in beiden Fällen, daß eine Gesetzeslücke vorliegt. Unter einer Gesetzeslücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes zu verstehen. Das Gesetz muß, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein. (Siehe dazu Karl Larenz: Methodenlehre der Rechtswissenschaft. 6. Aufl., 1991, S. 370 ff.)

Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Der Wegfall der Abhilfebefugnis in den Fällen, in denen die Entscheidung des Rechtspflegers nun der sofortigen Beschwerde unterliegt, war gewollt. Die Gleichstellung mit dem Richter hinsichtlich der Überprüfung der Entscheidungen entsprach der zentralen Intention der Gesetzesnovelle vom 6.8.98.

Der Dreh- und Angelpunkt der meisten Entscheidungen, die eine Abhilfebefugnis bejahen, ist die Annahme eines Redaktionsversehens: Den Redaktoren der Neufassung sei entgangen, daß die in § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG verlagerte Abhilfebefugnis im Kostenfestsetzungsverfahren bei beschwerdefähigen Rechtspflegerentscheidungen entfalle. Dies war jedoch nicht der Fall.

Im Gesetzgebungsverfahren hatte Heinz Hansens, der Vorsitzende der Kostenkammer des Landgerichts Berlin, darauf hingewiesen, daß der Rechtspfleger nach den durch § 11 Abs. 1 RPflG anwendbaren allgemeinen Verfahrensgesetzen künftig keine Abhilfemöglichkeit mehr habe (siehe hierzu und zum folgenden Hansens, Rpfleger 1999, 105 ff.). Er hatte vorgeschlagen, den § 11 Abs. 1 RPflG um den folgenden Satz zu ergänzen: „Der Rechtspfleger kann dem Rechtsbehelf auch dann abhelfen, wenn dies nach diesen Vorschriften nicht zulässig ist.”

Das Bundesministerium der Justiz nahm dazu mit Schreiben vom 3.9.1998, Geschäftszeichen 0312/10 – R 1 10906/98 –, Stellung. Es heißt in diesem Schreiben:

„Es ist einzuräumen, daß die Neufassung des § 11 RPflG (…) in den Fällen der sofortigen Beschwerde gegen Entscheidungen des Rechtspflegers, d.h. vor allem in Kostenfestsetzungsverfahren zum Ausschluß der nach bisherigem Recht bestehenden Abhilfemöglichkeit führt. Das gilt im übrigen (…) auch für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 19 BRAGO (…)

Die Neufassung des § 11 RPflG, mit der die sog. Durchgriffserinnerung abgeschafft und die Entscheidungen des Rechtspflegers hinsichtlich ihrer Überprüfung den Entscheidungen des Richters grundsätzlich gleichgestellt werden, ist Ausdruck des Bestrebens des Gesetzgebers, der eingetretenen Entwicklung der Stellung des Rechtspflegers vom ehemaligen Richtergehilfen zu einem eigenständigen Organ der Rechtspflege, das in sachlicher Unabhängigkeit neben dem Richter als Gericht tätig wird, Rechnung zu tragen. Daran ist festzuhalten.”

Auch aus den Gesetzesmaterialien läßt sich nichts anderes herleiten. Dem Gesetzentwurf war in dem hier interessierenden Punkt folgendes vorangegangen: Gottwald schlug in einem Gutachten für den 61. Juristentag vor, die Durchgriffserinnerung generell abzuschaffen und für Kostensachen die folgende Regelung zu treffen: Über befristete Kostenerinnerungen entscheidet der Rechtspfleger. Hilft er nicht ab, so entscheidet das Gericht, und zwar gr...

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