Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung des Betriebsrats von der Kostentragung für die Schulung eines dritten Ersatzmitgliedes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Teilnahme des 3. Ersatzmitglieds einer Liste des Betriebsrats an einer Grundlagenschulung im Betriebsverfassungsrecht kann im Einzelfall erforderlich sein.

2. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats über die Entsendung. Maßgebliche Bedeutung kommt insoweit den Heranziehungszahlen des 3. Ersatzmitglieds derselben Liste in der Vergangenheit zu.

3. Eine Entsendung kommt danach in Betracht, wenn andere Mittel zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats nicht erfolgversprechend erscheinen und aufgrund der Zahlen in der Vergangenheit von einer Heranziehung zu mehr als 40 % aller BR-Sitzungen auszugehen ist.

4. Der BR muss im Verfahren darlegen, aufgrund welcher objektiven Umstände er seinen Entsendungsbeschluss gefasst hat. Nicht erforderlich und in der Regel auch gar nicht möglich ist Vortrag dazu, welche Umstände tatsächlich bei der vorzunehmenden Abwägung für die Beschlussfassung ausschlaggebend waren.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6, §§ 40, 40 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 21.10.2015; Aktenzeichen 4 BV 95/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 21.10.2015 - 4 BV 95/15 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

Der Antragsteller (Betriebsrat) begehrt die Freistellung von der Kostentragung für die Schulung eines seiner Ersatzmitglieder.

Der Betriebsrat besteht aus 15 Mitgliedern aus drei Listen. Drittes Ersatzmitglied der Liste IG BCE ist seit der Betriebsratswahl im März 2014 G. K.. Im Betriebsrat sind 10 Mitglieder dieser Liste vertreten. Auf seiner Sitzung am 19. Mai 2014 beschloss der Betriebsrat, Herrn K., der zuvor noch keine Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG besucht hatte, zu der Schulung BR 1 - Kompaktkurs zu entsenden. Herr K. nahm an dem Seminar, das Grundlagenkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht vermittelte, teil. Die Antragsgegnerin (Arbeitgeberin) lehnte die Übernahme der Kosten für dieses Seminar ab.

Der Betriebsrat hat vorgetragen: Er habe festgestellt, dass das dritte Ersatzmitglied der Liste IG BCE Herr P., dessen Platz jetzt Herr K. einnehme, im Jahr 2012 an 28 von 64 Betriebsratssitzungen (43,75 %) und im Jahr 2013 an 30 von 59 Betriebsratssitzungen (50,85 %) teilgenommen habe. Daher sei die Teilnehme von Herrn K. an einer Betriebsratsschulung zu Grundkenntnissen des Betriebsverfassungsrechts erforderlich. Tatsächlich sei Herr K. im Jahr 2014 zu 16 von 38 Sitzungen eingeladen worden, im Jahr 2015 bis Ende Juni zu 20 von 35 Sitzungen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller von den gegen ihn gerichteten Ansprüchen des Bildungsträgers "IG BCE BWS GmbH" wegen der Teilnahme des Betriebsratsmitglieds G. K. am "Seminar BR 1 - Kompaktkurs" vom 30.06. bis 02.07.2014 in Höhe von € 1.056,92 freizustellen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich die ordnungsgemäße Beschlussfassung hinsichtlich der Entsendung von Herrn K. bestritten sowie die behaupteten Vertretungsfälle für Herrn P. in den Jahren 2012 und 2013. Im Rahmen seiner Prognoseentscheidung lege der Betriebsrat auch keine ordnungsgemäße Abwägung der wechselseitigen Interessen dar. Die Schulung von Ersatzmitgliedern dürfe der Betriebsrat nur unter besonderen Umständen für erforderlich halten. Diese seien nicht ersichtlich.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Schulung des Herrn K. sei erforderlich gewesen. Der Referenzwert der Beiziehungsquote aus den Jahren 2012 und 2013 belege, dass das dritte Ersatzmitglied ständig und häufig wiederholt in den Betriebsrat eingetreten sei. Dieses Zahlenwerk habe die Arbeitgeberin nicht mit Nichtwissen bestreiten dürfen. Als Grundlagenschulung sei das Seminar erforderlich, die Kosten moderat gewesen. Die Beschlussfassung des Betriebsrats sei im Termin durch Vorlage der Unterlagen belegt und von der Arbeitgeberin dann auch nicht weiter angezweifelt worden.

Gegen diesen am 03.11.2015 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 18.11.2015 Beschwerde eingelegt und diese am Montag, dem 04.01.2016, begründet.

Sie wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Einwendungen gegen den Freistellungsanspruch und führt ergänzend aus:

Die Beiziehungsquote des vergleichbaren Ersatzmitglieds aus den Jahren 2012 und 2013 sei von ihr bestritten worden. Das Arbeitsgericht habe es insoweit unterlassen, weitere Ermittlungen anzustellen. Im Beschwerdeverfahren behaupte der Betriebsrat nunmehr abweichend von seinem bisherigen Vortrag, im Jahr 2012 habe das dritte Ersatzmitglied an 30 von 59 und im Jahr 2013 an 28 von 64 Sitzungen teilgenommen. Für das Jahr 2012 belege der Betriebsrat aber nur 29 Teilnahmen dur...

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