Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der Zuständigkeit von Gesamt- und Einzelbetriebsrat für den Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur unternehmensweiten Einführung eines GPS-Systems

 

Leitsatz (redaktionell)

Für den Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung eines GPS-Systems in der Fahrzeugflotte eines bundesweit tätigen Abfallentsorgers zur unternehmensübergreifenden Koordinierung der Fahrzeugflotte und optimalen Auslastung der Fahrzeuge ist der Gesamtbetriebsrat und nicht der Betriebsrat am Sitz eines einzelnen von mehreren verbundenen Unternehmen zuständig.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6, §§ 77, 50 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 10.05.2017; Aktenzeichen 2 BV 70 e/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 10.05.2017 - 2 BV 70 e/15 - teilweise abgeändert.

Soweit der Betriebsrat E. (Beteiligter zu 1) Feststellung begehrt, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung, Routennachverfolgung und Routenoptimierung vom 25.5.2016 / 9.6.2016 nicht für die Arbeitnehmer des Betriebs E. gilt, wird der Antrag zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob zwei Gesamtbetriebsvereinbarungen für den Betrieb der Arbeitgeberin in E. Wirkung entfalten.

Die Arbeitgeberin ist bundesweit auf dem Gebiet der Abfallentsorgung tätig. Zu ihrem Unternehmen gehören 16 Betriebe. In 12 dieser Betriebe sind Betriebsräte errichtet, davon zwei fünfköpfige und zehn dreiköpfige.

Der Beteiligte zu 1. ist der für den E.er Betrieb gewählte fünfköpfige Betriebsrat (Betriebsrat E.).

Der Beteiligte zu 3. ist der in dem Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat (Gesamtbetriebsrat). Er hat 14 Mitglieder.

Die Arbeitgeberin verfügt über rund 350 Fahrzeuge. Zum Betrieb E. gehören etwa 50 Fahrzeuge. In allen Betrieben, außer in der Verwaltung, werden Fahrer beschäftigt. Ab Ende des Jahres 2013 führte die Arbeitgeberin in sämtlichen Betrieben ein technisches System der Firma S-TEC (System) zur elektronischen Erfassung der Arbeitszeit der Fahrer und der Routennachverfolgung ein. Das System besteht aus Hardware (i-Button / i-Button-Lesegerät) und Software (GPS Car Control). Im Zuge der Einführung des Systems wurden sämtliche Fahrzeuge, eigene wie geleaste, mit dem System ausgestattet. Das System zeichnet mittels GPS auf, wann sich welches Fahrzeug wo befindet und wer es fährt. Der jeweilige Fahrzeugstandort kann festgestellt werden, ebenso die gefahrene Strecke sowie Stand- und Nutzungszeiten. Die GPS Car Control Funktionen sind im Einzelnen im Anlagenkonvolut AG 5 beschrieben (Bl. 296 f. d. A.). Die Standortdaten des Fahrzeugs werden aufgezeichnet, sobald der Arbeitnehmer seinen so genannten i-Button auf das Sensorfeld des Lesegeräts legt. Wird der i-Button nicht aufgelegt, ertönt während der Fahrt ein lautes Geräusch. Allerdings kann ein Zwischenschalter eingebaut werden, der die Abschaltung des Systems ermöglicht. Die Funktion des i-Buttons ist im Anlagenkonvolut AG 5 beschrieben (Bl. 300 d. A.). Die aufgezeichneten Daten werden auf einem zentralen Server bei der Firma S-TEC erfasst. Auf diesem Server werden die einzelnen Datensätze verwaltet. Je nach Berechtigung können die Daten vom Server abgerufen werden. Die Rechner der einzelnen Betriebe sind nicht vernetzt.

Am 29.11.2013 unterzeichnete die Arbeitgeberin die mit dem Gesamtbetriebsrat verhandelte "Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung und -abrechnung und Routennachverfolgung" (Bl. 4 f. d. A.= GBV alt). Für den Gesamtbetriebsrat unterzeichnete Herr W. die Vereinbarung am 10.1.2014.

Herr W. war Mitglied des B. Betriebsrats. Diesem dreiköpfigen Gremium gehörte jedenfalls von 2013 bis 2015 auch Herr F. an. Sowohl Herr F. als auch Herr W. nahmen spätestens seit April 2013 gemeinsam an den Sitzungen des Gesamtbetriebsrats teil. Herr W. wurde als Gesamtbetriebsratsvorsitzender geführt. Herr F. nahm in diesem Zeitraum laut den Sitzungsprotokollen (Bl. 142 ff.) als Mitglied des Gesamtbetriebsrates an den Gesamtbetriebsratssitzungen teil und stimmte mit ab. Zudem wurde er ausdrücklich als Mitglied des Gesamtbetriebsrats bezeichnet, etwa in der Geschäftsordnung des Gesamtbetriebsrats vom 25.9.2015 (Bl. 94 ff. d. A.). Ein Beschluss, durch den der B. Betriebsrat Herrn F. in den Gesamtbetriebsrat entsandt hat, existiert nicht. Der Gesamtbetriebsrat hat vielmehr Protokolle der Sitzungen des B. Betriebsrats vom 24.4.2009 (Bl. 324 d. A.), 3.3.2015 (Bl. 333 d. A.) und 23.5.2016 (Bl. 337 d. A.) vorgelegt, ausweislich derer Herr W. entsandt worden ist.

Am 9.6.2016 unterzeichneten Herr W. und Herr H. für den Gesamtbetriebsrat die von der Arbeitgeberin am 25.5.2016 unterschriebene (weitere) "Gesamtbetriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung, Arbeitszeitabrechnung, Routennachverfolgung und Routenoptimierung" (Bl. 161 ff. d. A. = GBV neu). Dem lag der Beschluss Nr. 8...

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