Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe wegen unterbliebener Mitteilung einer wesentlichen Verbesserung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder einer Änderung der Anschrift

 

Leitsatz (amtlich)

§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist dahin auszulegen, dass es für die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nicht ausreicht, wenn die Partei dem Gericht eine wesentliche Verbesserung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder eine Änderung der Anschrift nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Vielmehr ist auch im Fall der Nichtmitteilung der geforderten Angaben ein qualifiziertes Verschulden der Partei in Form der Absicht oder der groben Nachlässigkeit erforderlich. Die Partei muss demnach eine wesentliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt haben (Anschluss an BAG, Beschl. v. 29.10.2016 - 8 AZB 23/16; Beschl. v. 18.8.2016 - 8 AZB 16/16)

 

Normenkette

ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 4, § 120a Abs. 2

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der ihm bewilligten Prozesskostenhilfe.

Im Ausgangsverfahren stritten die Parteien um Zahlung, Herausgabe von Arbeitspapieren sowie Zeugniserteilung. Der Rechtsstreit endete durch einen Vergleich vom 8.7.2014.

Mit Beschluss vom 16.7.2014 hat das Arbeitsgericht dem Kläger für einen Teil seiner Anträge sowie für den Vergleich und dessen Mehrwert ratenlose Prozesskostenhilfe bewilligt.

Der Kläger wirkte im April 2015 an dem ersten Nachprüfungsverfahren gemäß § 124 Abs. 1 ZPO mit und gab unter Vorlage von Belegen an, Arbeitslosengeld zu beziehen. Im Rahmen einer weiteren am 21.1.2016 eingeleiteten Überprüfung stellte das Arbeitsgericht fest, dass der Kläger seit dem 2.11.2015 wieder in einem Arbeitsverhältnis steht und einen Bruttomonatslohn in Höhe von 2.046,00 EUR (= 1.510,96 EUR netto) erhält.

Ohne den Kläger zuvor zu der beabsichtigten Aufhebung anzuhören, hob das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 29.6.2016 die Prozesskostenhilfebewilligung gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO mit der Begründung auf, der Kläger habe dem Gericht entgegen § 120a Abs. 2 Sätze 1 - 3 ZPO die wesentliche Verbesserung seiner Einkommensverhältnisse nicht mitgeteilt.

Gegen diesen ihm über seine Prozessbevollmächtigten am 4.7.2016 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 28.7.2016 Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, einzusetzendes Einkommen sei nicht vorhanden.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 4.11.2016) und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet.

Das Arbeitsgericht durfte die dem Kläger bewilligte Prozesskostenhilfe nicht gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO aufheben, ohne Feststellungen zum qualifizierten Verschulden des Klägers in Form der Absicht oder der groben Nachlässigkeit zu treffen.

Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO soll das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei die wesentliche Verbesserung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Voraussetzung für die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung ist somit, dass der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht absichtlich oder auf grober Nachlässigkeit beruhte.

Gemäß § 120 a Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Partei dem Gericht innerhalb des vierjährigen Zeitraums nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens (§ 120 a Abs. 1 Satz 4 ZPO) jede wesentliche Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuteilen. Was eine wesentliche Einkommensverbesserung ist, definiert § 120 a Abs. 2 ZPO. Eine Verbesserung in diesem Sinne liegt ab einer Erhöhung des Bruttoeinkommens von monatlich 100 EUR vor, sofern diese nicht nur einmalig ist. Über diese Verpflichtung wird die antragstellende Partei mit der Antragstellung bereits im Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, dort unter Ziffer K, fettgedruckt, hingewiesen. Ein entsprechender Hinweis erfolgt zudem im Hinweisblatt zum Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe.

Der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Beschluss vom 19.10.2016

(-8 AZB 23/16-) entschieden, dass § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO dahin auszulegen ist, dass es für die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nicht ausreicht, wenn die Partei dem Gericht eine wesentliche Verbesserung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder eine Änderung der Anschrift nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Vielmehr ist auch im Fall der Nichtmitteilung der geforderten Angaben ein qualifiziertes Verschulden der Partei in Form der Absicht oder der groben Nachlässigkeit erforderlich. Die Partei muss demnach eine wesentliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt haben. Die Beschwerdekammer schließt sich den Ausführungen des 8. Senats zur Auslegung der...

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