Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablösung der Tarifwerke der Betriebsübergeberin durch Tarifwerke der Betriebsübernehmerin bei kongruenter Tarifbindung. Ausschluss eines Gewerkschaftsmitglieds von einer vor Betriebsübergang aus betrieblicher Übung entstandenen Gleichstellung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB bestimmt die Ablösung eines Tarifvertrages der Betriebsübergeberin durch einen Tarifvertrag der Betriebsübernehmerin und setzt voraus, dass hinsichtlich des maßgeblichen Tarifvertrages eine kongruente Tarifbindung der Arbeitnehmerin und der Betriebserwerberin besteht.

2. Die Möglichkeit, im Wege der betrieblichen Übung durch konkludentes Verhalten der Arbeitgeberin und einer möglichen entsprechenden Annahme durch die Beschäftigten gemäß § 151 BGB einen Vertragsanspruch zu begründen, scheidet aus, wenn sich ein mögliches konkludentes Angebot der Arbeitgeberin nur an die Außenseiter und nicht an die tarifgebundenen Beschäftigten richtet.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 1-3; BAT; BGB §§ 133, 157, 611a; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 18.02.2015; Aktenzeichen 7 Ca 1672/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.01.2019; Aktenzeichen 4 AZR 445/17)

 

Tenor

1. Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 18.02.2015 - 7 Ca 1672/14 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten der ersten und der zweiten Instanz tragen die Klägerin zu 74 % und die Beklagte zu 26 %.

3. ‚Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, welches Tarifwerk auf ihr Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt und darüber, ob die Beklagte der Klägerin deshalb weitere Arbeitsvergütung schuldet.

Die Klägerin, welche seit dem 01.12.2009 Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist, ist seit 1981 als Krankenschwester im Kreiskrankenhaus H tätig (Bl. 6 f Akte). Unter dem Datum 01.04.1991 vereinbarte die Klägerin mit dem Kreiskrankenhaus H Folgendes (Bl. 9 der Akte):

"Für das bereits bestehende Arbeitsverhältnis gilt der Bundes-Angestellten-Tarif (BAT) Ost in der jeweilig gültigen Fassung ab 01.04.1991."

Unter dem Datum 01.07.1991 / 10.07.1991 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag (Bl. 17 f der Akte), der in den für die Entscheidung des Rechtsstreits wesentlichen Passagen folgenden Wortlaut hat:

"...

§ 3

Für das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen der für den Angestellten jeweils geltenden Tarifverträge in der z. Zeit geltenden Fassung und den dieses ergänzenden rechtlichen Bestimmungen Anwendung. Weiterhin sind die Bestimmungen des Einigungsvertrages und seiner Anlagen vom 31.08.1990 i.V.m. Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990 anzuwenden.

...

§ 5

Die Angestellte ist gemäß § 22 BAT-O in Vergütungsgruppe Kr IV eingruppiert.

...

§ 7

Änderungen und Ergänzungen dieses Arbeitsvertrages einschließlich der Nebenabreden sind gem. § 4 BAT-O nur wirksam, wenn Sie schriftlich vereinbart werden.

..."

Die Klägerin ist seitdem in dem zunächst von dem Landkreis H, dem O und nachfolgend dem Landkreis B geführten Kreiskrankenhaus in H, K, tätig. Mit Schreiben vom 15.11.2005 (Bl. 309 der Akte) teilte das O-klinikum der Klägerin mit, dass ab dem 01.10.2005 der BAT-O durch den TVöD-VKA ersetzt worden ist und führte aus:

"...

Aus diesem Grund ist es erforderlich, ihr Arbeitsverhältnis in dieses neue Tarifrechts überzuleiten. Eine Änderung ihres Arbeitsvertrages bedarf es nicht.

..."

Im Monat März 2007 bezog die Klägerin bei einer Arbeitszeit von 38,5 von 40 Tarifstunden eine Vergütung i.H.v. 2.421,14 € brutto (Abrechnungen Bl. 311 der Akte), bestehend aus der Vergütung nach der Entgeltgruppe 8A, der Zulage nach § 52 TVöD-BT-K und vermögenswirksamen Leistungen.

Das Klinikum ging im Wege des Betriebsüberganges im Jahr 2007 an die S-Ohre-Klinikum GmbH über.

Zunächst kamen auf die Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der S-Ohre-Klinikum GmbH die Bestimmungen des TVöD weiter zur Anwendung. Die S-Ohre-Klinikum GmbH und die Gewerkschaft ver.di schlossen unter dem 24.04.2010 mit Rückwirkung zum 01.01.2010 eine "Vereinbarung tariflicher Eckpunkte" sowie unter dem 25.02.2013 mit Rückwirkung zum 01.07.2012 einen "Tarifvertrag O-Klinikum 2012". Nach den vorgenannten tariflichen Regelungen erfolgte die Einbeziehung der S-O-Klinikum GmbH in die Konzerntarifverträge, die die S AG mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hatte, insbesondere den Konzern-Manteltarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur und den Konzern-Entgelt-Tarifvertrag für diese Funktionsbereiche.

Mit Schreiben vom Oktober 2010 (Bl. 216 der Akte) teilte die S-O-Klinikum GmbH der Klägerin mit, dass das Beschäftigungsverhältnis rückwirkend zum 01.01.2010 in die Tarifverträge des S-Konzerns übergeleitet werde, und führte in dem Schreiben nachfolgende Tarifverträge auf:

- Konzern-Mantel-Tarifvertrag (M-TV M/W/I S)

- Konzern-Entgelt-Tarifvertrag (E-TV M/W/I S)

- Konzern-Überleitung-Tarifvertrag (Ü-TV M/W/...

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